TuS Königsdorf 1900 e.V.
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Die nachfolgende historische Aufarbeitung der Geschichte der TuS-Fußball-Abteilung soll ein lebendiger Artikel sein. Jeder der sich erinnern kann, jeder der noch etwas zur Geschichte
beitragen kann ist herzlich eingeladen die Geschichte aufzuarbeiten. Bitte melden. Auch Bilder oder Zeitungsausschnitte sind wichtige Bausteine, die zur Dokumentation gehören. Jeder kann
auch als Autor mitwirken. Der Artikel wird fortwährend bearbeitet und diskutiert.
Daher kann sich die nachfolgende Geschichte auch immer wieder ergänzen. Wenn andere Erinnerungen sind, so sollten auch diese mitgeteilt werden um diese zu berücksichtigen.
Nur wenige Tage nach der ersten deutschen Reichtagswahl, der zweiten Wahl der Weimarer Republik trafen sich 9 junge Männer aus Königsdorf und gründeten unter dem Namen "Klub für Rasenspiele Großkönigsdorf" den ersten Fußballverein in Königsdorf.
(Hinweis der Redaktion:
1.) In der vorliegenden Chronik wird von "Sonntag dem 14.Juni 1920 berichtet. Der 14.Juni 1920 war jedoch ein Montag. Ausgehend davon, dass die jungen Männer auch ihren Arbeiten nachgehen mussten, wurde der Tag seitens der Redaktion auf den 13. Juni 1920 vorverlegt, der Sonntag bleibt.
2.) In der Chronik wird bereits der Klub mit C geschrieben. Wie auf der alten Fahne zu sehen ist schrieb man damals den Sportclub noch mit K )
Es war (und dies ist sicher Anm. d. Red.) ein warmer, sonniger Junitag als sich Peter Dore, Theodor Hoff, Konrad Lichius, Eugen Mergehen, Heinz
Meyer, Konrad Roßmann, Kaspar Schnackerz, Fritz Trebels und Hubert Wollenschein um 11:00 Uhr im Lokal "Zur alten Königslinde" an der Aachener Straße trafen.
Alt ansässigen Königsdorfern ist das traditionsreiche Ecklokal noch in guter Erinnerung. Standort war etwa der jetzige Fußgängerweg um die Kreissparkasse und Teil der Kreuzung Aachener Straße /
Paulistraße. Ebenfalls dort soll auch die Königslinde gestanden haben, die heute das Wappen unseres Vereins ist.
Zum ersten Vorsitzenden wurde Theodor Hoff, zum Kassierer Konrad Roßmann und zum Schriftführer der erst 15 Jahre alte Fritz Trebels gewählt. Spielobmann wurde Eugen Mergehen, der auch der Hauptinitiator für die Gründung war. Eugen Mergehen blieb bis zu seinem Tod, 1981, der Lenker und Kopf der Großkönigsdorfer Fußballer.
Da die jungen Männer Fernsehen, Radio und geschweige Whatsapp noch nicht kannten, bekamen sie am Nachmittag auch nicht mit, dass am gleichen Tag der 1. FC Nürnberg die erste Deutsche Fußballmeisterschaft nach dem Ersten Weltkrieg mit einem 2:0-Sieg gegen SpVgg Fürth gewinnen sollte .
Am folgenden Sonntag, dem 20. Juni 1920, wurde die zweite Versammlung einberufen, zu der bereits 25 Mitglieder anwesend waren. Hinzu gekommen waren Hugo Altstaedten, Walter Bauer, Theodor Frasch, August Hoffmann, Martin Schäfer, Peter Wirtz und andere, leider heute namentlich nicht mehr bekannte Spieler und Fans.
Bei der Gemeinde Lövenich wurde der Verein "Klub für Rasenspiele Großkönigsdorf" angemeldet und die Satzung vorgelegt. Gleichzeitig wurde ein Antrag zwecks Gestellung eines Sportplatzes übergeben. (Bis zur kommunalen Neugliederung 1975 gehörten Großkönigsdorf und Kleinkönigsdorf zur Gemeinde Lövenich)
Dieser Antrag wurde jedoch vom damaligen Bürgermeister der Gemeinde Lövenich, Franz Nolden, kurzerhand abgelehnt mit der Begründung "Es gäbe keinen geeigneten Platz". Es kann aber auch
sein, dass Franz Nolden von dem sportlichen Ansinnen aus allen Ecken genervt war, denn er wurde wenige Wochen zuvor von einem Konrad Adenauer, Amtskollege in der Stadt Köln gefragt, ob er
Ländereien an der Aachener Straße für einen Sportpark in Müngersdorf haben könnte. Dem mächtigen Mann aus Köln, der zu dieser Zeit der Zentrumspartei angehörte und Staatsratspräsident im
Freistaat Preußen war, musste Nolden wohl oder übel nachgeben, den Königsdorfern aber nicht.
So trainierten die, jungen Königsdorfer-Fußballpioniere auf allen möglichen freien Stoppelfeldern und auf der damals noch vorhandenen Acker über dem Tunnel der Köln-Aachener Eisenbahnstrecke,
während in Müngersdorf das größte deutsche Sportzentrum entstand. ( Bis 1936 mit dem Bau des Olympiastadion in Berlin war es der größte Sportpark)
Erbarmen hatte die Schwester Oberin vom nahegelegenen Herz-Jesu Kloster, welches im Juli 1894 dort gegründet wurde. Das regelmäßige Treiben der jungen, gut gebauten, muskulösen Kicker, direkt
neben ihrem Kloster, lenkte wohl zu sehr die jungen Celittinen beim Beten und Arbeiten ab.
So stellte die Oberin den Ballspielern für ein halbes Jahr ein abgemähtes Kleefeld, welches etwas weiter vom Kloster weg, aus dem Blick und Geräuschfeld der Novizinnen entfernt gelegen war, zur
Verfügung..
Man kann sich gut vorstellen, dass Mergehen, Roßmann, Trebels und Co richtig angefressen waren, ob dieser Situation. Das Kleefeld wurde im nahenden Herbst des Jahres 1920 zu einem Schlammfeld.
Der Verein mit dem schönen Namen "Klub für Rasenspiele " spielte auf einem Matschacker. Zwar hatten die Gebrüder Dassler 1920, in der Waschküche der Mutter damit begonnen Turnschuhe zu
fertigen, aber Adidas und Puma gab es noch nicht. Stollen unter Schuhen waren Luxus. Das damalige Laufwerk wog locker 700 g und dies pro Schuh. (Im Übrigen war es laut DFB Fußball-Regeln den
Spielern nicht erlaubt gemäß Regel 13 an den Stiefeln und Beinschützern Nägel oder in den Stiefelspitzen Metalleinlagen zu tragen. Der DFB wurde am 28.Januar 1900 in Leipzig gegründet.)
Im Spätsommer des Jahres 1920 konnten die Königsdorfer "Rasensportler" noch die ein oder andere Mannschaft aus Üsdorf, Brauweiler und Quadrath jeweils einmal aufs klösterliche Klee locken, doch
denen war der Matsch und Rutschsport zu dreckig. Zwar gab es damals bereits seit 21 Jahren die ersten Waschmaschinen von Miele, jedoch standen die riesigen Waschtröge noch nicht im Kölner Westen.
Also haben die Mütter und Ehefrauen damals gegen ihre halbwüchsigen Söhne und Ehemänner rebelliert nicht nochmal nach Königsdorf zu radeln, zu reiten oder zu gehen. Das war damals der Beginn der
Frauenemanzipation im Kölner Westen.
So waren die Königsdorfer-Jungs gezwungen all ihre Spiele bis zum Herbst 1922 auf den besser bespielbaren Plätzen bei den Gegnern auszurichten.
Theodor Bethune, Eigentümer des Frohnhofes in Kleinkönigsdorf , zu dem damals über 100 Morgen Acker gehört haben dürften, dazu etliche Waldungen stellte im Herbst 1922 ein Ackerstück am
Brauweiler Weg zur Verfügung. Als Dank für die außerordentliche Großzügigkeit wurde Theodor Bethune das 1. Ehrenmitglied des Vereins. Denn schon damals ahnte Namensvetter Theodor Hoff, ein
Politiker im Club kann nicht verkehrt sein. Theodor Bethune war im Gemeinderat der Gemeinde Lövenich und die Familie Bethune hatte seit der Heirat von Großvater Isodor mit der Tochter Anna Baur,
die vom Statthalterhof in Junkersdorf stammte auch aufgrund seiner Ländereien Einfluss über den Dorfrand von Königsdorf hinaus. Dennoch mussten damals bereits die Königsdorfer in der Gemeinde
Lövenich wie auch heute wir mit der Stadt Frechen enorme Kämpfchen austragen um etwas zu erreichen.
Man kann sich gut ausmalen, dass auch Theodor Bethune das ein oder andere Huhn oder Pferd den Berg runter Richtung Lövenich treiben lies damit "seinem Verein" ein Stückchen Land zur Verfügung
gestellt wurde. Schon damals gab es Klüngel und auch die Weidener und Junkersdorfer Fußballvereine waren über jeden Gegner froh, mit denen man sich messen konnte. Manch Königsdorfer mit
politischen Gedanken sprach damals schon von außerparlamentarischer Unterstützung für die Königsdorfer Kicker.
Nachdem Bürgermeister Otto Klein 1922 genügend Feder- und Hufvieh im häuslichen Hof angesammelt hatte, entschied er sich den Königsdorfern einen Acker zur Verfügung zu stellen.
Feierlich überreichte der Bürgermeister Otto Klein einen Acker, nördlich der Aachener Straße von 57 x 100m "An der Lehmkuhl".
Die Lehmkuhl ist auf historischen Karten aus den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts aufgezeichnet. Die Lage entspricht der Stelle des heutigen Tartanplatzes an der Pfeilstraße. Die Flur "An der
Lehmkuhl" wurde von den Mitgliedern des Klub für Rasenspiele Großkönigsdorf zu einen ebenen, brauchbaren Sportplatz hergerichtet. Man kann sich vergegenwärtigen, was dies für die jungen Spieler
und Helfer für eine Knochenarbeit war. All die Haselnussbäume, Ginstersträucher, Brennnesseln und Disteln mussten weggeräumt werden. Der schwere tonhaltige Lößboden musste verschoben werden um
dieses Feld einigermaßen eben zu bekommen. Hilfreich war sicherlich der Einsatz von Pferden, Ochsen und Kühen des Bethune-Hofes. Tracktoren, wie der legendäre Lanz Bulldog HL12, ein
Rohölschlepper oder der Fordson F mit 21 PS und ganze 5,5 Tonnen schwer, gab es in Königsdorf noch nicht. (Der erste Traktor, ein Mc Cormick aus amerikanischer Produktion wurde erst 1935 in
Königsdorf gesichtet). Von daher war die eigene Körperkraft der Männer gefragt. Krafttraining im Villeforst oder bei Fit for Fun brauchte man definitiv nicht, kannte man aber auch noch
nicht. Zudem war es auch nicht schlimm, wenn man mit Einbruch der Dunkelheit nach Hause kam und wenig später nach einer deftigen Brotzeit müde und erschöpft ins Bett viel. Auch Disco-Besuche
kannten die jungen Männer zu dieser Zeit noch nicht. Strom gab es zu dieser Zeit in Königsdorf wahrscheinlich nicht. Ende der 20er Jahre war gerade die Hauptstadt Berlin erst zu 50% an das
Stromnetz angeschlossen. Tagsüber gingen einige der Fußballpioniere der Arbeit auf dem Feld nach. Zudem gab es drei wichtige Arbeitgeber im Dorf: Die "Thon-und Steingutröhren-Fabrik Franz
Hensmann" das "Sand- und Thonröhrenwerk Gross-Königsdorf C. Grosspeter° und die "Cöln-Frechener Kristallsandwerke A. Lindemann" bei denen die Kicker ihr tägliches Brot verdienten. Trotz der
harten, körperlichen Arbeit tagsüber traf man sich jeden Nachmittag "An der Lehmkuhl" um einen schönen Platz herzurichten auf dem die Rasenspieler um Mergehen, Schnackerz und co. Fußball
spielen wollten. Jede Kraft wurde benötigt, jeder musste anpacken und jeder packte auch an. Die Maloche der jungen Männer schweißte auch die Mannschaft zusammen. Vereinsleben und Gemeinschaft wie
es sein sollte. Wie dies im Vergleich zur heutigen Zeit, rund 100 Jahre später aussieht weiß jeder.
Nachdem die Königsdorfer nach monatelanger Plackerei nun einen Sportplatz nachweisen konnte, wurde der "Klub für Rasenspiele Großkönigsdorf" in den Westdeutschen Spiel-Verband, Bereich "Rheingau" aufgenommen. Im Bereich Rheingau spielte man im "Rheinischen Südkreis".
Königlich Preußische Karte von 1893 (hersg. 1895)
Die ersten Königsdorfer Fußballer haben sich konzentriert auf Spiele vorbereiten können. Aufgrund der täglichen harten Arbeit ging man seinen Trainingseinheiten nach. Am 1. Januar 1923 wurde der
Mandolinen-Club Kleinkönigsdorf e.V. gegründet, der unter anderem in den Königsdorfer Gasthäusern Tanzveranstaltungen durchführte, an denen auch unsere Fußballer Spaß dran hatten. Darüber,
dass zwei Wochen später über 60.000 Soldaten aus Frankreich und Belgien das Ruhrgebiet besetzten um die Erfüllung der deutschen Reparationsverpflichtungen zu sichern, wurden viele Königsdorfer
nicht informiert.
Zudem gehörte das westliche Köln ja auch zum britischen Brückenkopf, der aufgrund Personalmangel eher weniger seiner Besatzungsmacht nachkommen konnte.
Jedenfalls blieb der Spielbetrieb der Königsdorfer Fußballer ungestört angesichts der weltpolitischen Geschehnisse an der Ruhr.
Bereits 1924 gelang der erste Aufstieg. Gegner in dieser neuen Liga waren die Vereine von Quadrath, Horrem, Kerpen, Weiden, Brüggen, Balkhausen, und Grefrath.
Die Mannschaft von Eugen Mergehen war natürlich der große Stolz im damaligen Königsdorf. Der Aufstieg, so kurz nach Gründung war auch eine große Leistung, auf die unsere Blau-Weißen Fußballväter
richtig stolz sein durften. Der Sport hatte Anfang der 1920er Jahre in unserem Dorf und in Deutschland allgemein einen großen Besucherandrang. Spielte zum Beispiel Königsdorf in Balkhausen, so
konnte Josefine Spindler, die Schwester von Valentin Roßmann von ihrem Fenster aus, am Marienhofer Weg die Prozession den Berg hoch, vorbei am Marienhof Richtung Balkhausen beobachten. Man kann
etwas übertrieben davon ausgehen, dass alle Männer des Dorfes mit den Blau-Weißen nach Balkhausen unterwegs waren. Ebenso bei Heimspielen unserer Mannschaft war in der Regel der komplette
männliche Anteil aus dem Dorf des Gegners an der Lehmkuhl zu sehen. Die Spiele dienten aber auch zum Austausch von Dorftratsch und hin und wieder auch von Fäusten. Die Nachrichten der großen
Politik, z.B. über die zahlreichen, politisch motivierten Attentate auf Politiker oder Interessensvertreter in Deutschland zwischen 1919 und 1924 kamen nicht wirklich in Königsdorf an. Was aber
kam, war viel Geld. Königsdorf wurde ein Dorf der Milliardäre. Kassierer Konrad Rossmann wusste gar nicht wohin mit den Bergen an Mark-Scheinen, die er als Mitgliedsbeitrag in den Jahren 1923 bis
1924 bekam. Das Geld musste er mit der Schubkarre nach Hause fahren. Das Problem, was Roßmann aber hatte war, das Geld war in der Zeit in der er seine Schubkarre vom Sportplatz bis zu sich nach
Hause schob schon deutlich weniger wert. Bis zur nächsten Vereinssitzung war es oft schon gar nichts mehr wert. Im Dezember 1923 kostete ein Ei etwa 320 Milliarden und ein Kilo Kartoffeln etwa 90
Milliarden Reichsmark. 1924 brachten ihm seine Mitglieder neben der Mark noch Notgeld und Rentenmarkenscheine. Roßmann hat sicher mehr als einmal seinen Ehrenamtsposten als Kassierer des Klub für
Rasenspiele bereut. Ende 1924 war die Hyperinflation endlich vorbei für Roßmann, die Rentenmark und alsbald die Reichsmark war eingeführt und in der Stammkneipe „Zur alten Königslinde“ mussten
die Fußballer nicht mehr mit der Schubkarre hinfahren um eine Rund des leckeren, begehrten Kölsch den Freunden auszugeben. Es begann eine wunderbare Zeit. Die wilden 20er Jahre. Die Fußballer zog
es an spielfreien Wochenende sicherlich in den Kölner Schwerthof am Neumarkt, in dem Charleston, einem aus Amerika herüber geschwappter Tanz getanzt wurde. Es wurde wild getanzt und dabei
erfreuten sich die Königsdorfer Rasensportler an den Einblicken, die anwesende Damen gaben, wenn sie verrucht, zigarettenrauchend freizügig das Kleid über die nackten Knie rutschen ließen. Auch
die jungen Königsdorfer Damen wurden mutiger und trafen sich zum Tanz mit den Fußballern im „Königsdorfer Hof, Inhaber: Johann Longuich“ (Heute Hotel Haus Wagner)
Zur gleichen Zeit im Jahre 1923 kam Ferdinand Irnich nach Königsdorf. Er hatte eine Kaufmannsausbildung hinter sich und erhielt als Kind bereits von seinem Vater eine solide bäuerliche Erziehung.
Irnich übernahm die Pacht des Landhandels von C. Schopen an der Aachener Straße. Ferdinant Irnich war, so wird berichtet, ein fleißiger Mann, der eine Nase für die notwendigen
landwirtschaftlichen Produkte und Notwendigkeiten hatte. Die sportbegeisterten Königsdorfer, es gab ja neben Fußball auch bereits den Turnverein und den Stemmverein, all die Sportler verbrauchten
Unmengen an Kohlenhydrate. Von leckeren Spaghetti mit Tomatensoße oder Nudeln mit Speck und geschlagenem Eigelb hatten nur wenige gehört. So besann man sich auf heimische Kost. Ferdinand Irnich
besann sich auf die Frühkartoffel, die im Frühjahr gepflanzt wurde und bereits 3 Monaten nach dem Aussetzen gegessen werden konnte. Die herkömmliche Kartoffel brauchte bis zu 2 Monate länger und
wurde erst im Herbst geerntet. Irnich wurde zum Kartoffelbaron und unsere Sportler hatten Erfolg mit immer genügend Kohlehydrate.
Das Kohlehydrate die Leistung der Sportler verbesserte stellte 1923 der amerikanische Mediziner Philip Levine fest, der in Ithaca, NewYork an der berühmten Cornell University studierte. Er
untersuchte die Blutzuckerwerte der Teilnehmer des Boston Marathons. Er stellte fest, dass die Blutzuckerwerte der Läufer nach dem Rennen stark gesunken waren. Levin folgerte daraus, dass der
niedrige Blutzuckerspiegel verantwortlich für die auftretenden Ermüdungserscheinungen bei körperlicher Belastung ist. Er ermunterte im Folgejahr die Marathonläufer vor und während des Laufes
kohlenhydratreiche Nahrung insbesondere in Form von Kartoffeln aufzunehmen. In der Cornell Universität gab und gibt es bis heute eine eigene Fakultät, die sich nur mit Kartoffeln beschäftigen.
Und tatsächlich, Levine stelle fest, wenn die Sportler vor dem Wettkampf kohlenhydratreiche Kartoffel essen, wurde die Unterzuckerung (Hypoglykämie) verhindert und die Ausdauer verbessert. Es ist
zu vermuten, dass Irnich von Levine und seinen Forschungen und der Kartoffel bei seinen Geschäftsreisen nach Holland gehört hatte, schließlich konnte er reisen, hatte er doch als einer der ersten
Königsdorfer bereits einen PKW.
Im Jahre 1926 wurde der Name "Klub für Rasenspiele Großkönigsdorf" in "Sportklub Blau-Weiß Königsdorf 1920" geändert. Was die genauen Gründe der Namensänderung gewesen sein mag muss noch herausgefunden werden. In diesem Jahr werden aber unsere Vereinsfarben Blau-Weiß erstmals namentlich dokumentiert, durch die Königsdorfer Fußballpioniere. Das nicht mehr der Name Großkönigsdorf erwähnt wird, sondern Königsdorf lässt vermuten, dass auch viele Spieler und Mitglieder aus Kleinkönigsdorf sich den Fußballern zugezogen fühlten. Zudem lag der Sportplatz fast auf der damaligen Dorfgrenze.
Einen Höhepunkt erlebten die Königsdorfer Fußballer am Sonntag des 18. April 1926 vermutlich in Ihrer Stammkneipe "Zur alten Königslinde". Gemeinsam verfolgte man die erste Hörfunkübertragung
eines deutschen Fußballländerspiels. Es war das 57. Länderspiel der deutschen Nationalmannschaft mit dem Spiel Deutschland gegen die Niederlande, welches die deutsche Elf mit 4 : 2 für sich
entschied. Im gleichen Jahr aber erst im Oktober wird die deutsche Elf ihren ersten offiziellen Trainer bekommen. Otto Nerz wurde vom 31.10.1926 bis zum 7. 8.1936 der erste Reichstrainer. (Der zweite und auch der letzte Reichstrainer wurde Sepp Herberger vom 13.9.1936 bis zum 7. 8.1942. Ab 1950 wurde Sepp
Herberger Bundestrainer.)
Die älteren unter uns, ich denke so Jahrgang 1960 und älter, die erinnern sich noch an die Fußbälle von damals. Die waren noch aus Leder, welches sich bei Regen und Wasserkontakt schnell vollsaugte. Das Gewicht eines Fußballes konnte sich schnell verdoppeln. Die oben bereits erwähnten Wasserpfützen waren ein Ärgernis für die Fußballer. Die Fußballverantwortlichen um Theodor Hoff bemühten sich um einen neuen Fußballplatz, wie nachfolgender Zeitungsartikel vom 18. März 1927 dokumentiert.
*Der Artikel wurde uns von Walter Meyer aus seinem Archiv zur Verfügung gestellt. Fr. Tageblatt Sport
Beschwingt von der neuen Namensgebung gelang der Mannschaft in der Saison 1926/27 direkt die Gruppenmeisterschaft. Das Entscheidungsspiel fand in Lechenich statt. Mit dem Fahrrad waren dies erstmal locker 90 Minuten Anfahrt. Die jungen Männer kamen also bereits gut aufgewärmt und motiviert in Lechenich an. Wer nun dachte die Blau-Weißen aus Königsdorf hätten schon vor dem Spiel wackelige Beine, der irrte. Nach 90 Minuten stand es 6 : 3 für den Sportklub Blau-Weiß Königsdorf.
vlnr: Erich Mergehen, Konrad Roßmann, Karl Vollek?, Fritz Trebel, Matthias Wallraf, Valentin Roßmann, Rudolf Herbst, Otto Stallmann, Peter Steven, Karl Vollek, Peter Wirtz, Eugen Mergehen.
Auf diesem Foto ist auch die damalige Ausrichtung des Fußballplatzes zu sehen. Die Tore standen in Ost-West-Ausrichtung. Die Bebauung Dürerstraße, Holbeinstraße gab es noch nicht. Auch an der
Pfeilstraße gab es bis zur Schule noch keine Häuser. Rechts hinter dem Kopf von Karl Vollek, dritter von rechts, ist der Kölner Dom zu sehen.
Die Jungs trugen Fußballstiefel. Insbesondere am Schuhwerk von Eugen Mergehen ist zu sehen auf welch tiefem Geläuf unsere Fußballväter antreten mussten.
Auf der östlichen Platzhälfte und auch im nördlichen Teil des Platzes versickerte das Wasser nie. Es stand immer Wasser dort. Wahrscheinlich war der Boden dort an dieser Stelle besonders
tonhaltig. Die Qualität des Lehms war daher im 19. Jahrhundert auch der Grund, dass begehrter, zum Fachwerkbau oder für den Ziegelbrand geeigneter Lehm dort im großen Maße abgebaut wurde.
Aufgrund der Größe der Lehmkuhl kann auch vermutet werden, dass das Material zum Ziegelbrand für den 1838 bis 1841 errichteten, 1623 Meter langen Eisenbahntunnel zwischen Königsdorf und Horrem
diente. Südlich der Aachenerstraße war der Boden sandig. Beim Tunnelbau und später dem Öffnen des Tunnels wurde vorwiegend weißer Sand abgebaut, der jedoch zur damaligen Zeit für den Hausbau
weniger geeignet war.
Zwei Jahre nach der ersten Meisterschaft unserer Fußballväter erlebten sie ab Oktober 1929 die Folgen des Börsencrashes in New York. Ursachen waren nicht nur die Probleme der Nachkriegszeit des
Ersten Weltkrieges im Finanzbereich, sondern auch am wirtschaftlichen Aufstieg und Wohlstand der USA. Es wurde gebaut und gekauft was das Zeug hielt. Nur die US- Bürger, Städte und Kommunen
konnten dies nur weitestgehend auf der Grundlage von Krediten finanzieren. Der Wirtschaft ging es gut, die Leute wollten mehr Lohn um sich die neu angebotenen elektrischen Wundergeräte wie
Kühlschränke, Staubsauger aber euch ein Automobil etc. anzuschaffen. Doch für all diese Konsumgüter reichte das Geld nicht, man brauchte Kredite. Zudem war schon damals der Börsenhandel in den
USA eine beliebte Geldquelle. Kapital aus der ganzen Welt wurde zurück in die USA transferiert um es dort gewinnbringender anzulegen. Es kam jedoch zu Kurseinbrüchen, die nicht erkannt wurden.
Fataler Weise senkte man auch noch die Steuern und gaukelte sich so aufgrund von mehr Geld in der Tasche, den Wohlstand vor. Die Börse stieg und stieg, obwohl die Signale in der Wirtschaft
abwärts verliefen. Die Wirtschaft in den USA ging zurück. Es kam wie es kommen musste. Die Spekulation fraß das Geld und die Menschen fielen in eine tiefe Armut. Da das ganze Geld seitens der USA
aus Deutschland abgezogen wurde, hatte Deutschland kein Geld mehr, die eigene Wirtschaft zu finanzieren und Kriegsschulden zu bezahlen. Aber auch in allen anderen Ländern war es nicht
anders, so kam es Weltweit zu großer Arbeitslosigkeit, Hunger und Not.
Auch in Großkönigsdorf wurde die Lage schwieriger. Die Großen Werke von Hensmann und Großpeter Lindemann mussten Arbeiter entlassen. Die Wochenendausflüge der vielen Kölner ins Naherholungsgebiet
des Großkönigsdorfer Waldes und den zahlreichen Restaurationen an und unweit von der der Aachener Straße blieben aus und somit auch das Geld was die Kölner mitbrachten. Was blieb war die
Eigenversorgung aus dem eigenen Garten und der eigenen Kleinviehhaltung.
Ablenkung hatten unsere Fußballer durch ihren Sport. Sicherlich wurde im Vereinslokal von Mathias Trebels unter dem Vorsitz von Eugen Mergehen und dem Spielervater Johann Wirtz viel über Fußball diskutiert. Über das, was für Regeln dem Fußball gut tun und wie man doch hätte gegen Horrem beispielsweise spielen sollen, über das 1: 1 der Spielvereinigung Köln-Sülz 1930 im Viertelfinale der Deutschen Meisterschaft gegen Herta BSC, im Müngersdorfer Stadion und dem anschließenden Wiederholungsspiel in Berlin, welches die Kölner mit 8:1 verloren, der Diskussion um die Schiedsrichter in der Saison 1930/31 beim Finalspiel im Müngersdorfer Stadion, wo sich die Herta aus Berlin gegen die Münchener Löwen gegenüber standen. Die Herta war im Duell gegen die 1860er Münchener Löwen klar unterlegen und lag verdientermaßen mit 1:2 im Hintertreffen, bis die Berliner durch zwei klare Abseitstreffer das Blatt doch noch wenden konnten (der Schiedsrichter Fissenwerth aus München-Gladbach (heute Mönchengladbach) ignorierte in beiden Fällen die Fahne des Linienrichters. (Das aus Aachen stammende GoalControl gab es erst 83 Jahre später bei der WM in Brasilien.)
Diese Gespräche waren für unsere Blau-Weißen Fußballväter Ablenkung von dem Thema, welches in ihren Bäuchen nagte, der Hunger und die elende wirtschaftliche Lage, wohl wissend, dass man nichts
dagegen tun kann.
In dieser schweren Zeit war es daher aber auch nicht verwunderlich, dass große Vereine ihren Spielern ein Handgeld gaben, damit diese im Verein bleiben konnten und nicht anderweitig für ihre
Familien Geld besorgten. Für die Spieler des damaligen Rekordmeisters 1.FC Nürnberg war dies schon lange üblich, doch auch die Spieler von Hertha BSC und Frankfurt erhielten ein ausreichendes
Taschengeld. Unser Westdeutscher Spielverband ging jedoch entschlossen dagegen vor, sahen die Funktionäre doch in den Spielern Profis und keine Amateure. Besonders getroffen hatte es 1930 die
Mannschaft von Schalke 04, die fast komplett vom Verband gesperrt wurde und beinahe in die Zweitklassigkeit abgestiegen wäre, hätten nicht viele Fußballfans in ganz Westdeutschland dagegen
protestiert.
Die Fußballer des Sportklub Blau-Weiß Königsdorf dachten nicht im Ansatz an ein Taschengeld, wäre es doch so hilfreich gewesen in dieser Zeit. Im Gegenteil, für sie war neben Training,
Fußballpflichtspielen auch die Pflege des Sportplatzes an der Lehmkuhl eine regelmäßige, unentgeltliche Arbeitspflicht
2=Hermann Büsse, 3=Philip Schillings, 4=Erich Mergehen, 5 Konrad Roßmann, 6=Peter Dore,
7=Theo Lambertz, 8=Karl Roßmann, 9=Eugen Mergehen, 10= ?? Wolf, 11=Otto Stallmann,
12=Peter Wirtz, 13=Johann Wirtz
Wir kennen dies alle, es gibt Menschen die begnadete Handwerker sind, die aber Defizite in der Mathematik haben. Albert Einstein, war ein mit zahlreichen Anerkennungen versehenes Genie in der theoretischen Physik, aber als Frisör hätte er kaum eine Anerkennung ernten können.
So gab es auch in Großkönigsdorf junge Männer, die gekonnt und sicher den Ball mit dem Fuß jonglieren konnten und jene Männer, deren Begabung darin lag dem Ball mit der Hand genügend Effet zu
geben, das dieser wie von Geisterhand geführt eine Kurve fliegt. Einstein kannte diesen sogenannten Magnus Effekt, die Querkraft, die eine rotierende Kugel in einer Strömung erfährt
und konnte diese auch mit Leichtigkeit berechnen. Doch diese Querkraft auch an einem Hand- oder Fußball praktisch zu demonstrieren, das war nicht Einsteins Stärke. Das war wiederum die Stärke von
vielen hochbegabten jungen Männern aus unserem Dorf, westlich von Köln. Anfang der 1930er Jahre selektierte sich eine Anzahl von jungen Männern heraus, die eine besondere Begabung hatten, den
Ball mit den Händen zu führen. Handball, wurde 1917 entwickelt und war ursprünglich ein nur für Frauen gedachter Sport ohne Körperkontakt. Erst 2 Jahre später wurde der Handballsport in Berlin
speziell für Männer modifiziert, wobei er attraktiver wurde, da von nun an Körperkontakt erlaubt und der Ball verkleinert wurde. Bis nach Königsdorf dauerte es nochmal 11 Jahre bis dieser
attraktive Sport von der Spree hier angelangt war.
Da es keine Hallen gab, spielte man auf Sportplätzen, die auch zum Fußballspielen oder umgekehrt geeignet waren. In Königsdorf teilten die Handballer den Sportplatz an der Lehmkuhl fortan mit den
Fußballern. Der Handballsport fand bei vielen jungen Männern Interesse und so gründeten sie im Jahr 1930 den ersten Handballclub in Großkönigsdorf. Welchen Namen sie sich gaben ist nicht
überliefert.
Für die Fußballer war es eine Erleichterung, gab es doch fortan auch andere Sportler, die das leidige Regenwasser vom Sportplatz schafften.
Denn aufgrund der Weltwirtschaftskriese hatte die Gemeinde Lövenich kein Geld, für eine Lösung der Entwässerung oder Verlegung des Platzes zu finanzieren.
Bilder um 1932: von Bernhard Effertz, Ludwig Jahn Straße
In den folgenden Jahren mussten unsere Kicker auch die politischen Wirren spüren. Dabei darf man sicherlich nicht annehmen, dass unsere Fußballväter Politik und Sport streng getrennt haben.
Fußball war im "Dritten Reich" ein Spielball der Politik und der Fußballsport an sich ein Abbild der Gesellschaft. Mit Begeisterung folgten in Deutschland zahlreiche Funktionäre und Spieler den
Parolen des nationalsozialistischen Regimes und trugen so zu seiner Stabilisierung bei. Zudem war die Länderspielbilanz Deutschlands bis zur "Machtergreifung" durch Hitler nur drittklassig und
bereits bei der WM 1934 in Italien feierte man den dritten Platz. Instrumentalisiert durch das Regime "verkaufte" sich der Fußballsport hervorragen. Das Regime sah sich im Glanz des Erfolges.
Hitler hatte im Übrigen nichts für Fußball übrig. Man sagt er sei nur einmal in einem Stadion gewesen. 1936 im Berliner Poststadion gegen Norwegen. Er sah die überraschende 0 : 2 Niederlage in
der olympischen Zwischenrunde. Überliefert wurde, dass er erbost noch vor dem Abpfiff das Stadion verließ, weil er mit deutschen Verlierern nichts zu tun haben wollte.
Was sich auf unserem Platz an der Lehmkuhl und den Plätzen des "Dritten Reich" alles so ereignet hat wurde selbstverständlich nicht dokumentiert. Zeitzeugen gibt es nicht mehr und/oder berichten
nicht mehr.
In der vorliegenden Chronik steht berichtet: "Die nächsten Jahre verliefen in ruhigen Bahnen, aber ab 1935 wurden unsere Mannschaften sehr geschwächt. In einem Spieljahr verloren wir 14 Spieler
durch neue Wehrmacht und Arbeitsdienst. Der Spielbetrieb flachte durch weitere Abgänge immer mehr ab und kam 1940 ganz zum Erliegen"?
Was haben wir, die Kinder und Enkel unserer Fußballväter daraus gelernt?
Wir sollten Courage zeigen, wenn unsere farbigen Mitspieler angepöbelt werden.
Wir sollten uns distanzieren von Vorurteilen gegen unsere Flüchtlingsmitspielern und den Fußballern, die von der Gold-Krämer Stiftung gekommen sind und unsere Teams verstärken.
Wir sollten Stolz sein, dass wir verstanden haben, unser Fußball und unser Verein ist nur stark und erfolgreich, wenn wir offen sind Menschen aufzunehmen und annehmen! So schreibt es unsere
Abteilungsleitung: "All unsere Mannschaften bieten Platz
für Menschen aus allen Nationalitäten und allen Glaubensrichtungen. Wir freuen uns über die Vielfalt, die unsere Spieler zeigen. Rassistische, politische, religiöse, sexuelle Diskriminierungen
sind in unserem Verein ein absolutes NoGo."
Gerne kann jeder seine Gedanken einbringen.
Do
11
Jan
2018
DAS HERZ DER KÖNIGSDORFER FUSSBALLER
Ohne Eugen Mergehen wäre der Fußball in Königsdorf nach dem 2. Weltkrieg und in den 50er Jahren zum Erliegen gekommen. Sein Herz schlug für die Fußballer, für unseren Verein. Nur aufgrund seines unermüdlichen Einsatzes in dieser Zeit blieb der Fußball in Königsdorf am Leben. Daher verdient es Eugen Mergehen, dass wir sein Leben erzählen.
Eugen Mergehen:
(Obwohl der Name von der Aussprache eindeutig ist, nannten die Königsdorfer Eugen nur "Merjen", mit Betonung des "J" wohl um den Namen auf ein Minimum an Silben zu reduzieren, wie man dies auch bei den Amerikanern kennt, auch wenn dies nicht allzuviel bei Mergehen, bei der Reduzierung von 3 auf 2 Silben brachte.)
Eugen Mergehen wurde am 17.06.1896 in Elberfeld als zweites Kind und zweiter Sohn des Schneidermeisters Jakob Mergehen geboren. Eugen wuchs in Elberfeld mit 6 Geschwistern auf. Im Hause Mergehen war stets Leben in der Bude.
Die 4 Jungs und 3 Mädels brachten Eugens Vater, der am 20.9.1869 geborene Jakob Mergehen nicht selten aus der Ruhe. Eben die Ruhe und Muße, die er brauchte um den wohlhabenden und reichen Elberfelder Herrschaften ihre Bestellungen von kunstvollen Gewändern nachzukommen. Jakob Mergehen liebte seinen Beruf und seine Familie.
In seiner frühen Kindheit sah Eugen gemeinsam mit seinem älteren Bruder Paul, wie etwas Komisches unweit von seinem Elternhaus gebaut wurde. Überall wurden schräggestellte Stützenpaare errichtet, die alle gleich auszusehen schienen. Was der kleine Eugen dort mit großen und interessierten Augen sah, waren „Rieppelträger“, die ersten Normbrücken, die nach ihrem Erfinder Anton von Rieppel benannt werden sollten. Sie wiesen Spannweiten von 21 bis 33 Metern auf. Als Eugen 4 Jahre alt war, wurde er Zeuge, was noch nie zuvor jemand gesehen hatte. An diesen Riepelträgern wurden von Tragbrücke zu Tragbrücke, genau in der Mitte der Horizontalverbindung eine Schiene montiert. Was noch verrückter war, man hängte an diese Schiene Bahnwagons. Eugen dachte es wären eiserne Blechhütten. Aber das Innere dieser "Blechhütten" war aus Sicht der Arbeitenden Klasse in Elberfeld schon sehr feudal ausgestattet. Es ist Mittwoch 10. Oktober 1900: Es ist stark bewölkt und es regnet hin und wieder im Bergischen Elberfeld. Die gesamte Familie Mergehen trotz dem usseligen Wetter und alle blicken gespannt nach oben als hinter dem sich beginnenden bunten Blättern der Bäume langsam und mit Getöse die "Hängebahn" über ihren Köpfen hinweg knatterte. Das quietschende, laute und eindringende Geräusch von aneinander schabenden Eisens jagte dem kleinen Eugen gewaltig Angst ein, sodass seine Tränen von der Mutter liebevoll abgewischt und der kleine Eugen getröstet werden musste. Was Eugen noch nicht verstand war das Getratsche über die Leute in der eisernen "Blechhütte". In dieser saß hoher Besuch aus Berlin. Kaiser Wilhelm II mit seiner Gemahlin Auguste Viktoria und seinem Gefolge fuhren von Döppersberg (Elberfeld Mitte) bis Vohwinkel.
Der Namensvetter von Eugen Mergehen, der Kölner Ingenieur Eugen Langen war es, der die "Wuppertaler Schwebebahn", die über seinem Elternhaus fuhr konstruiert hatte, der gemeinsam mit Nikolaus Otto an der Erfindung des Ottomotores beteiligt war, der in Elsdorf-Etzweiler in einem herrschaftlichen Herrenhaus wohnte. Persönlich begegnet sind Eugen Mergehen und Eugen Langen sich nie. Eugen Langen starb eine Woche vor seinem 62 Geburtstag aufgrund einer Fischvergiftung am 2.10.1895, also 8 Monate bevor der kleine Eugen im wohlhabenden Elberfeld das Licht der Welt erblickte. Aber Eugen Langen fuhr oft nach und durch Großkönigsdorf, eben in das Dorf, in das Eugen Mergehen nach dem Ersten Weltkrieg auch ziehen sollte.
Die Stadt Elberfeld, sowie Vohwinkel, die beide später, 1929, mit weiteren Kommunen zur Stadt Wuppertal vereinigt wurden, waren zu der damaligen Zeit im Gegensatz zu heute wohlhabend und reich.
Eugens Kindheit verlief wohlbehütet und geordnet. Bei 7 Kindern gab es keine Langeweile im Hause Mergehen. Nach der Schulzeit wurde Eugen ein freies Studium zum Pfarrer gewährt. Zur damaligen
Zeit übernahm der erste Sohn den Hof oder die Firma des Vaters und der Zweite wurde Pfarrer. Aber Eugen lehnte dies entschieden ab, vermutlich war das Studium verbunden mit der Trennung vom
Elternhaus. Theologie wurde nur in fernen Internaten gelehrt. Für den jungen Eugen ein fürchterlicher Gedanke. Die Mutter konnte sich auch nicht von ihrem Eugen trennen und so begann er im
heimischen Elberfeld, so um 1910 die Lehre als Futteralmacher.
War dies doch ein hochangesehener, zukunftsweisender Beruf. Aus Materialien wie Leder, Papier, Pergament, Holz und Metallen ließen sich wunderschöne Futterale, Dosen und Etuis aller Art
herstellen, die Schmuck, Uhren, Besteck oder Brillen vor Beschädigung schützten. Und nicht nur das, neben der Schutzfunktion erkannten Eugen auch bald die ästhetischen Qualitäten seiner
Verpackungen. Aus einfachen Kartons wurden wunderschöne Schmuckkartons, die Wert und Bedeutung des Inhalts signalisierten und steigerten.
Dann kam der 28.6.1914:
In Sarajewo wurde der österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand und seine Gattin Sophie von Hohenberg ermordet. Es sollte der Auslöser des Ersten Weltkriegs werden.
Dann ging es Schlag auf Schlag, die Geschichte ist bekannt:
Eugen Mergehen wurde im Alter von 18 Jahre, direkt zu Kriegsbeginn 1914 als Soldat eingezogen. Das unmittelbare Grauen dieses Krieges, fand aus Sicht der Mergehens auf entfernten Schlachtfeldern statt, und noch nicht in dem Ausmaß wie im Zweiten Weltkrieg auch in der Heimat. Es wurde erstmalig Giftgas gegen die gegnerischen Feinde eingesetzt. Das Ergebnis waren fast zehn Millionen Tote Soldaten aber auch ungezählte Kriegsversehrte und zerstörte Existenzen.
Mittelbar war der Krieg natürlich auch "zu Hause" gravierend zu spüren. Die Lebensmittel wurden immer knapper. Es wurden fleischlose und fettlose Tage vom Bundesrat eingeführt. Montags und
Donnerstags war es den Wirten untersagt, Gerichte mit Fett herzustellen. Dienstags und Freitags durfte kein Metzger Fleischwaren verkaufen.
Wir Königsdorfer Fußballer müssen heute sagen, wir hatten Glück. Was für Eugen erstmal als Grauen begann und was er in den folgenden Kriegsjahren durchmachen musste, als er von französischen
Soldaten in Gefangenschaft genommen wurde, ist historisch auch als Glücksfall zu sehen. In den grausamen Materialschlachten des Ersten Weltkrieges war die Industrialisierung angekommen. Eugen
wurde an der ca. 750 km langen Westfront vom Ärmelkanal bis zur Schweizer Grenze eingesetzt. Nachdem die französischen Soldaten ihn aufgriffen und gefangen nahmen, wurde er nach Korsika verlegt.
Das dies nicht im TGV oder im FlixBus erfolgte bedarf nicht der Begründung. Der Fußmarsch über 1000 km zerrte an den gefangenen Soldaten. Zu Essen und Trinken gab es nur das Notwendigste. Der
Hunger in der Bevölkerung, die mangelnde Hygiene, die Krätze und Läuseplage überschattete ganz Frankreich aufgrund der Kriegswirren. Bedingt eben durch mangelnde Hygiene und ärztlicher
Versorgung erkrankte Eugen auf Korsika an der Malaria. Und wieder hatte Eugen Glück im Unglück: Das Rote Kreuz nahm sich seiner an und brachte ihn in die Schweiz. Eugen erholte sich von der
schweren Krankheit. Halbwegs genesen schaffte er es von dort zu flüchten und schlug sich bis zur Familie nach Elberfeld durch. Und das Glück blieb im hold, als er seine Mutter und Vater wieder
sah, war der Krieg vorbei. Am 11.11.1918 dachte keiner an die Sessionseröffnung irgendeiner Karnevalszeit, dennoch wurde gejubelt und gefeiert.
Im fernen Frankreich, in einem Eisenbahn-Speisewagen wurde auf der Lichtung von Rethondes, etwa 6 km östlich von Compiègne der Waffenstillstand zwischen dem Deutschen Kaiserreich
und den Streitkräften der Entente unterzeichnet.
Die wirtschaftliche Lage nach dem 1. Weltkrieg war nicht die Beste. Auch wenn der Krieg vorbei war, so blieb der Hunger, hinzu kamen die Arbeitslosigkeit und die Spanische Grippe.
Die 3 älteren Mergehenbrüder Paul, Erich und Eugen, machten sich gemeinsam zu dritt auf nach Köln, schon damals die mit 600.000 Einwohnern Drittgrößte Stadt im Reich. Dem Oberbürgermeister in Köln Konrad Adenauer war es nicht zuletzt aufgrund seiner unorthodoxen Art gelungen, die Lebensmittelversorgung der Stadt halbwegs stabil zu halten. Ebenso war es auch Adenauers Verdienst, dass das Kriegsende und die Revolution für Köln glimpflich abliefen. Wahrscheinlich fand in Köln, im Gegensatz zu den anderen Städten im Reich, 1918 keine Revolution statt, da Adenauer angesichts der guten Zusammenarbeit und dem gekonnten klüngeln Adenauers mit den Vereinigungen der Arbeiter und Marinesoldaten eine enge Beziehung nachgesagt wurde. Ebenso wurde eine enge Zusammenarbeit zwischen der Zentrumspartei und den Sozialdemokraten gepflegt. In Köln erhofften sich die Mergehenbrüder Arbeit zu finden.
Was die 3 Mergehenbrüder dann aber dann genau nach Königsdorf zog, ist nicht genau überliefert.
Auf jeden Fall haben die Mergehens die Eisenbahn von Köln über Großkönigsdorf Richtung Aachen genutzt. 1920 kam Eugen Mergehen nach Königsdorf. Warum Eugen Mergehen in Königsdorf ausstieg oder
aussteigen musste und auch damals in Großkönigsdorf blieb ist nicht genau bekannt. Wurde er beim Schwarzfahren erwischt? Hatte die Lokomotive einen Kesselschaden oder war der Tunnel Richtung
Horrem vorübergehend gesperrt?
Aber nehmen wir mal an es war Romantik: Eugen hatte im Kölner Bahnhof ein nettes, junges Fräulein gesehen hat und folgte ihr einfach mal im Zug Richtung Westen. Vielleicht ist er der schnaufenden
Dampflock auch hinterher gelaufen, denn fit wie Eugen war, waren die gerade mal mit 10-12 km/h fahrende Lok keine läuferische Herausforderung, zumal die auch 3 mal stehen blieb und in Lövenich
neu mit Wasser befüllt werden musste.
Also Verschnaufpausen, die Eugen nicht brauchte. Gut möglich, dass er der schnaufenden, von Lövenich leicht den Berg sich hoch arbeitenden Lok vorauslief und das nette Mädchen schon am
Königsdorfer Bahnhof abwartete. Dabei hatte er auch noch Glück, das Mädchen stieg tatsächlich aus. Wäre es weiter im Zug geblieben so hätte Eugen durch den dunklen, stickigen, 1623m langen
Eisenbahntunnel Richtung Horrem laufen müssen. Ja Eugen hatte Glück, das Mädchen hatte ihn, den jungen sportlichen Typ bemerkt.
Langsam ging die junge hübsche Frau vom tiefer gelegenem Bahnhof hoch zur Aachener Straße und dann links abbiegend die Aachener Straße hoch. Sie ließ sich unendlich Zeit, war es doch sehr
angenehm zu wissen, dass ein Fremder und auch noch gutaussehender Mann sie begehrte und ihr im Abstand folgte. Eugen sah, wie die Frau, nochmal keck lächelnd und nach Eugen schauend in einem
kleinen Haus an der Aachener Straße verschwand, welches genau dort stand wo heute die Augustinusstraße in Aachenerstraße einmündet. Also noch links neben der heutigen Spielhalle. (Unweit,
wenn nicht genau vor dem Breuer Haus, und auch auf der Straßenseite hat bis 1909 die Königslinde gestanden, die bis heute das Wappen unseres Sportvereins ist. Wilhelmine muss diesen alten
wunderschönen, jedoch aufgrund seines Alters windschiefen Baum als Kind noch bewundert und die "unbefugte" Fällung wegen eines privaten Bauvorhabens mitbekommen haben.)
Eugen Mergehen war wohl so angetan von dieser Frau, dass er in Großkönigsdorf blieb. Junge Männer wie er, die arbeiten wollten, konnte man hier, so kurz nach dem 1.Weltkrieg immer gebrauchen,
dachte er. In seinem Körper versammelte sich ein Cocktail von Endorphine, Dopamin und Serotonin. Gefüllt mit diesen Glückshormonen schritt er über die Aachenerstraße geradewegs in das schräg
gegenüberliegende Lokal hinter einer riesigen Linde. Dort kam Eugen schnell bei einem Bierchen (ob Kölsch ist noch zu klären. Das erste Kölsch wurde 1918 bei Sünner in Köln gebraut) mit
dem Sohn des Wirtes, Fritz Trebels ins Gespräch und erfuhr die Ursache für sein Herzrasen: Es war "et Breuers Minche" wie Wilhelmine Breuer im Ort genannt wurde.
Eugen und Fritz Trebels wurden Freunde. Eugen fand schnell Arbeit bei einem hiesigen Bauunternehmer. Das entging den beiden Brüdern Paul und Erich Mergehen nicht. Die beiden folgten ihrem Bruder
in den Kölner Westen. Großkönigsdorf profitierte von der Eisenbahn. Zwei Ton- und Steinzeugfabriken, Franz Hensmann AG und Großpeter Lindemann mit ihren riesigen, schwarz rauchenden, schlanken
Schornsteinen waren die baulichen Erkennungszeichen von Königsdorf, die man sogar von der Domspitze erkennen konnte. Also Arbeit gab es zu Hauf in dieser Zeit in Großkönigsdorf. Die umliegenden
Felder ernährten die Königsdorfer mit Gemüse und Fleisch. Die Mergehens wurden heimisch. 1920 wurden Eugen von Fritz Trebels und anderen jungen Männern angesprochen, ob er mit ihnen einen
Fußballclub gründen wolle. Seine Zusage zu diesem Vorhaben wurde für Eugen eine Lebensaufgabe bis zu seinem Tod. Das Glück blieb Eugen auch in Königsdorf treu. Wilhelmine, die am 11.1.1904 in
Großkönigsdorf geboren wurde, war seinem Werben nicht abgeneigt. Auch Wilhelmines Mutter, die Witwe wurde als Wilhelmine 4 Jahre alt war, fand den jungen, hilfsbereiten Eugen sympathisch.
Eugen hatte in der Trilogie des Tagesablaufes seine Erfüllung gefunden. Häusle bauen, Fußball spielen und mit Minche die Abende verbringen. Der Glücksfall der Zeit und bedingst durch das
Schicksal des Ortes wurde Wilhelmine mit knapp 18 Jahren schwanger. Wie es zur damaligen Zeit "sich gehörte" musste, noch bevor das Kind geboren wurde geheiratet werden.
Es gab jedoch ein Hindernis. Im Großkönigsdorf der 20er Jahre ein großes Hindernis um nicht zu sagen ein unüberwindbares Hindernis. Der Grund war, Eugen Mergehen war evangelisch und Wilhelmine katholisch. Der damalige Großkönigsdorfer Pfarrer Peter Michael Hansen (1910 bis 1927 in Königsdorf Pfarrer) lehnte kategorisch ab, die beiden zu trauen. Das, was für Pfarrer Hansen ein NO GO war, war für Eugen nicht wirklich ein Hindernis! Eugen und Wilhelmine ließen sich in Köln trauen. 1922 wurde in der 1715 erbauten Kirche zur "Schwarzen Muttergottes St. Maria" in der Kupfergasse geheiratet. Nach der Trauung zog das junge Paar in die Wohnung der Breuers ein. Sechs Monate später, im September wurde das 1. Kind, Tochter Änni geboren. Noch drei weitere Kinder sollten in den 20er Jahren folgen: im November 1924 Tochter Käthi, im Januar 1927 Sohn Erich und im Dezember 1928 Tochter Agnes, die alle in Großkönigsdorf geboren wurden.
Bild 1930 von links: Änni, Wilhelmine mit Agnes im Arm, Kathi, Eugen, davor Sohn Erich.
Was Eugens bevölkerungspolitische Aktivitäten anging war er verlässlich und erfolgreich.
Dieser Erfolg schwappte auch auf seinen Sportklub Blau-Weiß Königsdorf über. Die erste Meisterschaft mit seinem Sportklub Blau-Weiß Königsdorf folgte 1927.
Anfang der 30er Jahre bewarben sich die beiden Brüder Eugen und Erich bei der Post. Während Eugen in Köln eine Anstellung in der Auslandsprüfstelle im Hauptpostamt fand, wurde Erich in Großkönigsdorf als Briefträger eingesetzt. (Erich starb 1941 durch eine Leberkrankheit.)
Bruder Paul war ein Allroundtalent. Gelernt hatte er das Zimmermannshandwerk. In Großkönigsdorf eröffnete Paul an der Aachener Straße 572 in einem kleinen Haus, umgeben von den großen Bauernhöfen, dem damaligen Hof Haus Lenders zur Linken und dem Mellerhof zur Rechten eine Eisdiele.
Im Jahr 1931 musste Eugen, Wilhelmine und die kleinen Kinder mit Oma Breuer das Breuer Haus verlassen. Es sollte abgerissen werden und eine Straßenverbindung samt Eisenbahnbrücke von der Aachenerstraße zur Klosterstraße (heute Augustinusstraße) gebaute werden um auch die Zufahrt von großen Lastkraftwagen zum Steinzeugwerk Großpeter Lindemann zu ermöglichen.
Die Familie zog in das Eckhaus Friedrich-Ebert-Straße 16 Ecke Freiligrathstraße.
Aber auch dort blieben sie nicht lange und zogen 1933 in den linken Backsteinbau des Schulgebäudes an der Friedrich-Ebert-Straße 63, die 1907 gebaut wurde.
Wenig später wurde die Friedrich-Ebert-Straße in Adolf Hitler Straße umbenannt.
Am 30 Januar 1933 wurde Hitler von Reichspräsident Hindenburg zum Reichskanzler berufen. Bereits am 1.Mai 1933 wurden Eugens Fußballer sowie alle anderen männliche Ortsvereine durch den
"örtlichen Führer" und der SA-Mannschaft der NSDAP in die St.Sebastianuskirche bestellt. Die Jahre der Entmündung, der Denunziationen, der Willkür und des Grauens hatten auch in Groß- und
Kleinkönigsdorf begonnen.
Eugen Mergehen wurde 1939 zur Errichtung des Westwalls befohlen und später zur Armee eingezogen. Er wurde nach Polen verlegt und dort bei der Besatzungstruppe eingesetzt. Anfang 1940 durfte er zu
einem Heimurlaub seine Familie und seine Wilhelmine besuchen. Den Hormonen sei Dank und die Gunst der Stunde nutzend legte er die Grundlage zur Geburt seines 5. Kindes und seinem 2. Sohn Walter,
den Wilhelmine im Oktober 1940 in Köln-Lindenthal zur Welt brachte.
Eugen wurde 2 Jahre später zurück befohlen. Mit Kriegsbeginn wurde die Auslandsprüfstelle im Hauptpostamt Köln von der Gestapo (Geheime Staats-Polizei) übernommen. In der Nacht vom 30.
auf den 31. Mai 1942 wurde das Hauptpostamt durch die Operation Millenium (Decknahme für die Bombadierung Kölns durch brittische Luftangriffe) zerstört.
Die Auslandsprüfstelle wurde nach Engelskirchen verlegt und Eugen, der bereits beim Aufbau der Post Anfang der 30er Jahre mitwirkte wurde aufgrund seiner Erfahrung in Engelskirchen
gebraucht.
Das Grauen der Vorkriegszeit und der Krieg war auch längst in Königsdorf angekommen. Juden, politisch Andersdenkende, Homosexuelle, Sinti und Roma und Menschen mit Behinderungen
wurden vom Königsdorfer Bahnhof aus deportiert. Bomben vielen und Tote in der Zivilbevölkerung wurden gezählt.
Die Angst war ein ständiger Begleiter. Wilhelmine lebte mit ihren Kindern Änni, Agnes und dem jungen Walter alleine in der Schule, die damals nahezu isoliert, umgeben von Feldern und Gärten
zwischen Klein- und Großkönigsdorf stand.
Unweit von der Schule stürzte dann am 15.Oktober 1944 ein von der Flag, die etwa am Simonshof Stellung bezogen hatte, abgeschossenes Flugzeug auf ein Haus. 6 Menschen unter ihnen auch Bekannte
von Wilhelmine kamen dabei ums Leben. Daraufhin, aber auch aufgrund der unerträglichen Lebensbedingungen verließen zahlreiche Bewohner Königsdorf und zogen in rechtsrheinische
Gebiete.
Wilhelmine hatte Angst! Sie sah sich und ihre Kinder in Gefahr vor den anrückenden Amerikanern.
Sie wollte zu ihrem Mann Eugen nach Engelskirchen, wohl im Glauben dort sicherer zu sein.
Wilhelmine hatte gehört, dass ein Bekannter, der im Besitz eines Autos war, eine Fahrt nach Gummersbach plante und noch 2 Plätze frei hatte. Es folgten ihre schlimmsten Stunden. Wilhelmine musste
sich entscheiden. Alle konnten nicht mitfahren, sie mussten sich trennen oder gemeinsam weiterhin die Angst vor dem Ungewissen verspüren. Bis zur Abfahrt blieb nicht viel Zeit und dennoch hätte
sich Wilhelmine viel mehr Zeit gewünscht um mit den Kindern zu sprechen. Schließlich war es die damals 22 Jährige Änni die Ihre Mutter überredete gemeinsam mit dem kleinen Walter nach
Engelskirchen zu fahren. Wie schwer es Wilhelmine gefallen sein muss ihre beiden Töchter Änni und die gerade erst 16 jährige Agnes zurückzulassen ist kaum vorstellbar.
Erst nachdem in den ersten Märztagen 1945 amerikanische Panzer über die Aachener Straße durch Königsdorf, Köln von den Amerikanern eingenommen und die rechtsrheinische Front kapituliert hatte, machten sich Tochter Änni und Agnes zu Fuß im Bollerwagen auf nach Engelskirchen.
Jedoch zog es die Familie Mergehen nach dem Krieg wieder zurück nach Großkönigsdorf.
Auch Tochter Käthe, die während des Krieges das Grauen der Menschlichkeit in der Arbeitsanstalt in Brauweiler direkt mitbekam und mit ansehen musste freute sich über das Wiedersehen mit ihrer Familie. Die Arbeitsanstalt in Brauweiler diente in der Zeit des Nationalsozialismus für 12 Monate als Konzentrationslager. Die Gebäude, die auch von der Kölner Gestapo als Gefängnis beansprucht wurden, dienten auch zur Korrektionsanstalt. Infolge der NS-Rassenpolitik wurden 417 Insassen, sogenannte "entmündigte Trinker" von Brauweiler zur Kölner Uni-Klinik geschleppt und zwangssterilisiert. Ab 1941 nutzte die Gestapo das Zellengebäude als Gefängnis, in dem 1944 der ehemalige Bürgermeister von Köln und überregional bedeutende Zentrumspolitiker Konrad Adenauer für 2 Monate inhaftiert war. Im September 1944 wurden hunderte sogenannte "Arbeitshäusler" über den Bahnhof Großkönigsdorf in Konzentrationslager, insbesondere ins KZ-Buchenwald abgeschoben.
Unermessliche Trauer und Sorge hatten Eugen und Wilhelmine um ihren Sohn Erich. Er wurde noch kurz vor Kriegsende als 18-jähriger als Soldat eingezogen und in Richtung Russland
transportiert.
Sie hatten schon lange nichts mehr von ihm gehört und das Ungewisse schmerzte unerträglich.
Mitte 1946, die Familie Mergehen saß gerade beim Abendessen, einer heißen Suppe (dies hieß damals viel heißes Wasser wenig Fett, hier und da etwas Gemüse oder vereinzelt eine Kartoffeln, wenig Salz und Gewürze) da krächzte die Tür in der Friedrich-Ebert-Straße 63. Die Köpfe drehten sich sofort zur Tür, denn erwartet wurde niemand. In den Raum trat ein völlig abgemagerter und kahl geschorener junger Mann. Natürlich erkannten Eugen und Wilhelmine in diesem hageren und unterernährten jungen Mann ihren Sohn Erich. Er hatte Glück im Unglück. Er war zu schmächtig und unterernährt, als das die Russen ihn in Sibirien oder sonst wo hätten als Arbeitskraft einsetzen können. Das Rote Kreuz wurde auf ihn aufmerksam und setzte sich für die Freilassung von Erich ein. Natürlich wurde die Suppe kalt, aber auch die kalte, laffe Suppe war für Erich das größte, was er sich in diesem Moment konnte vorstellen.
Die Güte des Schicksals brachte die komplette Familie Mergehen wieder zusammen.
Auch nach dem Krieg wurde Eugen Mergehen wieder aufgrund seiner Kenntnisse im Bauhandwerk von der Bauleitung angesprochen, die Errichtung des Postamtes in Köln mitzutragen. Es ist anzunehmen,
dass auch Eugen sich der Kontrolle und Befragung der Alliierten unterziehen musste, die tunlichst bedacht waren Personen mit nationalsozialistischem Hintergrund keinesfalls in den wichtigen
Schaltstellen des öffentlichen Lebens einzubinden. Dazu gehörte auch die Post. Eugen blieb bei der Post bis zu seiner Pensionierung Anfang 1961.
Eugen Mergehen war nicht der Mann, der nach der Arbeit die Ruhe suchte. Er brauchte Bewegung, er musste immer etwas tun. Im Nachkriegsdeutschland viel es Wilhelmine auch gar nicht ein, ihren
Eugen aufzuhalten. Auch Wilhelmine hatte mit Schule und Erziehung ihrer Kinder genug zu tun.
Eugen setzte sich zwei Ziele: 1. die Fußballer des Sportklub Blau-Weißkönigsdorf neu auf die Beine zu stellen und 2. ein Haus für die Familie zu bauen.
Schon Ende 1945 hatte er wieder eine Mannschaft in Spielstärke zusammen. Aufgrund seiner Liebe zum Fußball baute er sein Haus unmittelbar neben dem Sportplatz, Pfeilstraße 16. Es ist das gelbe
(Stand 2017) Haus links neben dem Schützenaus und den Umkleidekabinen, die aber viel, viel später gebaut wurden. Heute wird es das "Lenzenhaus" genannt. Zunächst baute Eugen nur das
Untergeschoss des Hauses. Erst als sein Sohn Erich auf Drängen der Königsdorfer Lehrer das Schulgebäude verlassen musste, vollendete er das Haus mit dem Bau eines großen, auffallend spitzen
Dachstuhles.
Eugens Bruder Paul wurde in Königsdorf ebenfalls zur Legende und muss daher hier auch hervorgehoben werden. Seine kleine Eisdiele an der Aachener Straße, damals links neben dem Mellerhof gelegen,
war weit über die Grenzen Königsdorfs bekannt. Für uns Kinder war es das leckerste Eis der Welt. Auch wenn wir uns damals eine Eiskugel mit allen Geschwistern teilen mussten, so war das
kalte süßcremige Eis, insbesondere wenn es gerade fertig angerührt wurde göttlich. Zudem verkaufte Paul im Frühjahr Saatgut und fertigte zu Allerheiligen Grabgestecke und in der Adventszeit
Adventskränze. Noch sehr gut in Erinnerung ist das Schild in seinem Schaufenster mit dem Hinweis "Was sie nicht im Fenster seh'n, wird bestimmt im Laden steh'n!".
Mit Fußball hatte Paul nichts am Hut.
Eugen traf sich im Frühjahr 1946 mehrmals mit anderen Königsdorfer Sportvereinen. Eugen merkte, dass die Kriegsjahre die Vereinsarbeit nicht vereinfacht hatte. Auch die anderen Vereine hatten mit der kriegsbedingten Schwächung zu kämpfen. Schließlich schlossen sich Eugen und sein Rasensportklub Blau-Weiß Königsdorf 1920 dem Königsdorfer Handballverein und dem Königsdorfer Turnverein an und nannten sich fortan Turn und Sportklub kurz TuS Blau-Weiß Königsdorf 1900 e.V. Die Gesamtführung des TuS leitete Carl-Ludwig Großpeter, Stellvertreter Engelbert Mermagen von den Turnern, Eugen Mergehen wurde Obmann der Fußballabteilung, Josef Pohl (Ϯ1997) bei den Turnern und Josef Meusch (Ϯ1952) Obmann bei den Handballern.
Eugen lebte für die Familie und für den Fußball. Es gab nichts, was er bis zu seinem Tod nicht für seinen Fußballverein gemacht hatte, erinnerte sich Eugens Sohn Walter Mergehen. Er pflegte
die Fußbälle, was damals hieß: flicken, fetten, aufpumpen und für den Sportbetrieb bereitstellen. Dabei bedurfte es viel Fingerfertigkeit die dick- und hartledrigen Bälle mit einer Nadel und
dicker Kordel zu nähen. Im Fußball der 50er Jahre war noch eine Gummiblase, die ähnlich einem Fahrradschlauch häufig durch Dornen durchlöchert wurden. Diese Blasen konnten durch einen kleinen
losen Lederlappen, der sich im Ventilbereich befand aus dem Lederball herausgewürgt werden.
Waren alle Nähte gut vernäht, die Löcher in der Blase wieder geflickt, so musste diese wieder in die Lederkugel eingebracht und aufgepumpt werden. Das lose, kleine Lederstück, welches das Ventil
umschloss, presste sich dann von innen, ausreichend sicher gegen Verrutschen haltend, gegen die Lederkugel des Balles. Danach wurde der Ball gefettet um die Oberfläche wasserabweisend und
geschmeidiger zu machen. Eugen Mergehen beherrschte diese Tätigkeit, hatte er doch in seiner Jugend die Fingerfertigkeit als Futteralmacher gelernt und dem Vater beim Schneidern oft über die
Schulter geschaut. Er machte es auch zu seiner Aufgabe, die Linien auf dem Platz mit Kalk abzuzeichnen, Die Tornetze auf und abhängen, die Eckfahnen auf und abbauen und natürlich das Wasser aus
den riesigen Pfützen auf dem Platz entfernen.
Zudem gab es auch eine Menge Papierkram: Spielberechtigungen einholen, d.h. Neuanmeldung, Spielerpass-Formulare ausfüllen und nach Duisburg schicken, Spielberichte ausfüllen und mit den
Spielerpässen dem Schiedsrichter vorlegen. Regelmäßig fuhr er nach Köln um an der Sitzung des Fußballkreises teilzunehmen.
Was Eugen am wenigsten liebte, war das Betteln von Geldern. Jedoch neue Trikots, Hosen, Stutzen Bälle und Tornetze wurden gebraucht und seine Spieler, die er nunmal für den Spielbetrieb brauchte
waren arm, bzw. das Geld wurde für die Familie benötigt. Werbebanner und Sponsoring, wie wir es heute kennen waren noch nicht bekannte Wortbegriffe. Ein stets verlässlicher und großzügiger
Spender war der Gesamt-TuS-Vorsitzende und Fabrikant Carl-Ludwig Großpeter.
All diese ehrenamtlichen Tätigkeiten wurden durch seine Frau Wilhelmine loyal mitgetragen und unterstützt. Als Eugens Sohn Walter im Alter von 14 Jahren zu den Königsdorfer Handballern gehen
wollte, legte Wilhelmine dies kategorisch ab. Das kam nicht in Frage im mergehenschen Kosmos. Wie aufreibend das sich selbst auferlegte Ehrenamt für Eugen Mergehen war kann man sich vorstellen.
Es war von Woche zu Woche, von Saison zu Saison schwierig Mannschaften, mangels Personal aufzustellen. Eugen schaffte es, immer wieder Menschen in Königsdorf zu motivieren egal ob
talentiert oder untalentiert und den Spielbericht aufrecht zu halten. Es war Eugens großer Verdienst, seine Blau-Weißen blieben über die Jahre zusammen und wurden eine Traditionsmannschaft in den
Kreisligaklassen.
Bei seinen Söhnen wurde Fußball nicht zum Lebensinhalt. Sein jüngster Sohn Walter schaffte es schließlich doch die Mutter zu überzeugen und wurde Handballer. Jedoch musste er auch häufig als
Torwart bei den Fußballern aushelfen, wenn nicht genügend Personal zur Verfügung stand.
Der älteste Sohn Erich blieb der sportlichen Betätigung im TuS fern.
Anders seine Enkelsöhne: Thomas (Tom), Sohn von Walter hat über 10 Jahre beim TuS gespielt. Die drei Söhne des ältesten Sohnes Erich spielten alle drei in Dom-Esch und Niederaußem, wobei sein
Sohn Josef es bei Oberaußem sogar schaffte auf Landesligaebene zu spielen.
Eugen Mergehen starb am 22.Februar 1981 in seinem Haus am Sportplatz im Alter von 85 Jahren.
Seine Frau Wilhelmine und sein Sohn Walter waren bis zuletzt an seiner Seite. Am 31.Oktober 1985 folgte ihm Wilhelmine im Alter von 81 Jahren.
Beide starben nach einem erfüllten Leben.
Es war ein Leben in dem Eugen und Wilhelmine viel erreicht haben, ungezählte Stunden im Ehrenamt tätig waren und für Menschen in unserem Verein und auch darüber hinaus viel getan haben und immer Ansprechpartner waren.
Bild: 1972 anlässlich der Goldhochzeit
Fortsetzung folgt . . .
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