TuS Königsdorf 1900 e.V.
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DAS HERZ DER KÖNIGSDORFER FUSSBALLER
Ohne Eugen Mergehen wäre der Fußball in Königsdorf nach dem 2. Weltkrieg und in den 50er Jahren zum Erliegen gekommen. Sein Herz schlug für die Fußballer, für unseren Verein. Nur aufgrund seines unermüdlichen Einsatzes in dieser Zeit blieb der Fußball in Königsdorf am Leben. Daher verdient es Eugen Mergehen, dass wir sein Leben erzählen.
Eugen Mergehen:
(Obwohl der Name von der Aussprache eindeutig ist, nannten die Königsdorfer Eugen nur "Merjen", mit Betonung des "J" wohl um den Namen auf ein Minimum an Silben zu reduzieren, wie man dies auch bei den Amerikanern kennt, auch wenn dies nicht allzuviel bei Mergehen, bei der Reduzierung von 3 auf 2 Silben brachte.)
Eugen Mergehen wurde am 17.06.1896 in Elberfeld als zweites Kind und zweiter Sohn des Schneidermeisters Jakob Mergehen geboren. Eugen wuchs in Elberfeld mit 6 Geschwistern auf. Im Hause Mergehen war stets Leben in der Bude.
Die 4 Jungs und 3 Mädels brachten Eugens Vater, der am 20.9.1869 geborene Jakob Mergehen nicht selten aus der Ruhe. Eben die Ruhe und Muße, die er brauchte um den wohlhabenden und reichen Elberfelder Herrschaften ihre Bestellungen von kunstvollen Gewändern nachzukommen. Jakob Mergehen liebte seinen Beruf und seine Familie.
In seiner frühen Kindheit sah Eugen gemeinsam mit seinem älteren Bruder Paul, wie etwas Komisches unweit von seinem Elternhaus gebaut wurde. Überall wurden schräggestellte Stützenpaare errichtet, die alle gleich auszusehen schienen. Was der kleine Eugen dort mit großen und interessierten Augen sah, waren „Rieppelträger“, die ersten Normbrücken, die nach ihrem Erfinder Anton von Rieppel benannt werden sollten. Sie wiesen Spannweiten von 21 bis 33 Metern auf. Als Eugen 4 Jahre alt war, wurde er Zeuge, was noch nie zuvor jemand gesehen hatte. An diesen Riepelträgern wurden von Tragbrücke zu Tragbrücke, genau in der Mitte der Horizontalverbindung eine Schiene montiert. Was noch verrückter war, man hängte an diese Schiene Bahnwagons. Eugen dachte es wären eiserne Blechhütten. Aber das Innere dieser "Blechhütten" war aus Sicht der Arbeitenden Klasse in Elberfeld schon sehr feudal ausgestattet. Es ist Mittwoch 10. Oktober 1900: Es ist stark bewölkt und es regnet hin und wieder im Bergischen Elberfeld. Die gesamte Familie Mergehen trotz dem usseligen Wetter und alle blicken gespannt nach oben als hinter dem sich beginnenden bunten Blättern der Bäume langsam und mit Getöse die "Hängebahn" über ihren Köpfen hinweg knatterte. Das quietschende, laute und eindringende Geräusch von aneinander schabenden Eisens jagte dem kleinen Eugen gewaltig Angst ein, sodass seine Tränen von der Mutter liebevoll abgewischt und der kleine Eugen getröstet werden musste. Was Eugen noch nicht verstand war das Getratsche über die Leute in der eisernen "Blechhütte". In dieser saß hoher Besuch aus Berlin. Kaiser Wilhelm II mit seiner Gemahlin Auguste Viktoria und seinem Gefolge fuhren von Döppersberg (Elberfeld Mitte) bis Vohwinkel.
Der Namensvetter von Eugen Mergehen, der Kölner Ingenieur Eugen Langen war es, der die "Wuppertaler Schwebebahn", die über seinem Elternhaus fuhr konstruiert hatte, der gemeinsam mit Nikolaus Otto an der Erfindung des Ottomotores beteiligt war, der in Elsdorf-Etzweiler in einem herrschaftlichen Herrenhaus wohnte. Persönlich begegnet sind Eugen Mergehen und Eugen Langen sich nie. Eugen Langen starb eine Woche vor seinem 62 Geburtstag aufgrund einer Fischvergiftung am 2.10.1895, also 8 Monate bevor der kleine Eugen im wohlhabenden Elberfeld das Licht der Welt erblickte. Aber Eugen Langen fuhr oft nach und durch Großkönigsdorf, eben in das Dorf, in das Eugen Mergehen nach dem Ersten Weltkrieg auch ziehen sollte.
Die Stadt Elberfeld, sowie Vohwinkel, die beide später, 1929, mit weiteren Kommunen zur Stadt Wuppertal vereinigt wurden, waren zu der damaligen Zeit im Gegensatz zu heute wohlhabend und reich.
Eugens Kindheit verlief wohlbehütet und geordnet. Bei 7 Kindern gab es keine Langeweile im Hause Mergehen. Nach der Schulzeit wurde Eugen ein freies Studium zum Pfarrer gewährt. Zur damaligen
Zeit übernahm der erste Sohn den Hof oder die Firma des Vaters und der Zweite wurde Pfarrer. Aber Eugen lehnte dies entschieden ab, vermutlich war das Studium verbunden mit der Trennung vom
Elternhaus. Theologie wurde nur in fernen Internaten gelehrt. Für den jungen Eugen ein fürchterlicher Gedanke. Die Mutter konnte sich auch nicht von ihrem Eugen trennen und so begann er im
heimischen Elberfeld, so um 1910 die Lehre als Futteralmacher.
War dies doch ein hochangesehener, zukunftsweisender Beruf. Aus Materialien wie Leder, Papier, Pergament, Holz und Metallen ließen sich wunderschöne Futterale, Dosen und Etuis aller Art
herstellen, die Schmuck, Uhren, Besteck oder Brillen vor Beschädigung schützten. Und nicht nur das, neben der Schutzfunktion erkannten Eugen auch bald die ästhetischen Qualitäten seiner
Verpackungen. Aus einfachen Kartons wurden wunderschöne Schmuckkartons, die Wert und Bedeutung des Inhalts signalisierten und steigerten.
Dann kam der 28.6.1914:
In Sarajewo wurde der österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand und seine Gattin Sophie von Hohenberg ermordet. Es sollte der Auslöser des Ersten Weltkriegs werden.
Dann ging es Schlag auf Schlag, die Geschichte ist bekannt:
Eugen Mergehen wurde im Alter von 18 Jahre, direkt zu Kriegsbeginn 1914 als Soldat eingezogen. Das unmittelbare Grauen dieses Krieges, fand aus Sicht der Mergehens auf entfernten Schlachtfeldern statt, und noch nicht in dem Ausmaß wie im Zweiten Weltkrieg auch in der Heimat. Es wurde erstmalig Giftgas gegen die gegnerischen Feinde eingesetzt. Das Ergebnis waren fast zehn Millionen Tote Soldaten aber auch ungezählte Kriegsversehrte und zerstörte Existenzen.
Mittelbar war der Krieg natürlich auch "zu Hause" gravierend zu spüren. Die Lebensmittel wurden immer knapper. Es wurden fleischlose und fettlose Tage vom Bundesrat eingeführt. Montags und
Donnerstags war es den Wirten untersagt, Gerichte mit Fett herzustellen. Dienstags und Freitags durfte kein Metzger Fleischwaren verkaufen.
Wir Königsdorfer Fußballer müssen heute sagen, wir hatten Glück. Was für Eugen erstmal als Grauen begann und was er in den folgenden Kriegsjahren durchmachen musste, als er von französischen
Soldaten in Gefangenschaft genommen wurde, ist historisch auch als Glücksfall zu sehen. In den grausamen Materialschlachten des Ersten Weltkrieges war die Industrialisierung angekommen. Eugen
wurde an der ca. 750 km langen Westfront vom Ärmelkanal bis zur Schweizer Grenze eingesetzt. Nachdem die französischen Soldaten ihn aufgriffen und gefangen nahmen, wurde er nach Korsika verlegt.
Das dies nicht im TGV oder im FlixBus erfolgte bedarf nicht der Begründung. Der Fußmarsch über 1000 km zerrte an den gefangenen Soldaten. Zu Essen und Trinken gab es nur das Notwendigste. Der
Hunger in der Bevölkerung, die mangelnde Hygiene, die Krätze und Läuseplage überschattete ganz Frankreich aufgrund der Kriegswirren. Bedingt eben durch mangelnde Hygiene und ärztlicher
Versorgung erkrankte Eugen auf Korsika an der Malaria. Und wieder hatte Eugen Glück im Unglück: Das Rote Kreuz nahm sich seiner an und brachte ihn in die Schweiz. Eugen erholte sich von der
schweren Krankheit. Halbwegs genesen schaffte er es von dort zu flüchten und schlug sich bis zur Familie nach Elberfeld durch. Und das Glück blieb im hold, als er seine Mutter und Vater wieder
sah, war der Krieg vorbei. Am 11.11.1918 dachte keiner an die Sessionseröffnung irgendeiner Karnevalszeit, dennoch wurde gejubelt und gefeiert.
Im fernen Frankreich, in einem Eisenbahn-Speisewagen wurde auf der Lichtung von Rethondes, etwa 6 km östlich von Compiègne der Waffenstillstand zwischen dem Deutschen Kaiserreich
und den Streitkräften der Entente unterzeichnet.
Die wirtschaftliche Lage nach dem 1. Weltkrieg war nicht die Beste. Auch wenn der Krieg vorbei war, so blieb der Hunger, hinzu kamen die Arbeitslosigkeit und die Spanische Grippe.
Die 3 älteren Mergehenbrüder Paul, Erich und Eugen, machten sich gemeinsam zu dritt auf nach Köln, schon damals die mit 600.000 Einwohnern Drittgrößte Stadt im Reich. Dem Oberbürgermeister in Köln Konrad Adenauer war es nicht zuletzt aufgrund seiner unorthodoxen Art gelungen, die Lebensmittelversorgung der Stadt halbwegs stabil zu halten. Ebenso war es auch Adenauers Verdienst, dass das Kriegsende und die Revolution für Köln glimpflich abliefen. Wahrscheinlich fand in Köln, im Gegensatz zu den anderen Städten im Reich, 1918 keine Revolution statt, da Adenauer angesichts der guten Zusammenarbeit und dem gekonnten klüngeln Adenauers mit den Vereinigungen der Arbeiter und Marinesoldaten eine enge Beziehung nachgesagt wurde. Ebenso wurde eine enge Zusammenarbeit zwischen der Zentrumspartei und den Sozialdemokraten gepflegt. In Köln erhofften sich die Mergehenbrüder Arbeit zu finden.
Was die 3 Mergehenbrüder dann aber dann genau nach Königsdorf zog, ist nicht genau überliefert.
Auf jeden Fall haben die Mergehens die Eisenbahn von Köln über Großkönigsdorf Richtung Aachen genutzt. 1920 kam Eugen Mergehen nach Königsdorf. Warum Eugen Mergehen in Königsdorf ausstieg oder
aussteigen musste und auch damals in Großkönigsdorf blieb ist nicht genau bekannt. Wurde er beim Schwarzfahren erwischt? Hatte die Lokomotive einen Kesselschaden oder war der Tunnel Richtung
Horrem vorübergehend gesperrt?
Aber nehmen wir mal an es war Romantik: Eugen hatte im Kölner Bahnhof ein nettes, junges Fräulein gesehen hat und folgte ihr einfach mal im Zug Richtung Westen. Vielleicht ist er der schnaufenden
Dampflock auch hinterher gelaufen, denn fit wie Eugen war, waren die gerade mal mit 10-12 km/h fahrende Lok keine läuferische Herausforderung, zumal die auch 3 mal stehen blieb und in Lövenich
neu mit Wasser befüllt werden musste.
Also Verschnaufpausen, die Eugen nicht brauchte. Gut möglich, dass er der schnaufenden, von Lövenich leicht den Berg sich hoch arbeitenden Lok vorauslief und das nette Mädchen schon am
Königsdorfer Bahnhof abwartete. Dabei hatte er auch noch Glück, das Mädchen stieg tatsächlich aus. Wäre es weiter im Zug geblieben so hätte Eugen durch den dunklen, stickigen, 1623m langen
Eisenbahntunnel Richtung Horrem laufen müssen. Ja Eugen hatte Glück, das Mädchen hatte ihn, den jungen sportlichen Typ bemerkt.
Langsam ging die junge hübsche Frau vom tiefer gelegenem Bahnhof hoch zur Aachener Straße und dann links abbiegend die Aachener Straße hoch. Sie ließ sich unendlich Zeit, war es doch sehr
angenehm zu wissen, dass ein Fremder und auch noch gutaussehender Mann sie begehrte und ihr im Abstand folgte. Eugen sah, wie die Frau, nochmal keck lächelnd und nach Eugen schauend in einem
kleinen Haus an der Aachener Straße verschwand, welches genau dort stand wo heute die Augustinusstraße in Aachenerstraße einmündet. Also noch links neben der heutigen Spielhalle. (Unweit,
wenn nicht genau vor dem Breuer Haus, und auch auf der Straßenseite hat bis 1909 die Königslinde gestanden, die bis heute das Wappen unseres Sportvereins ist. Wilhelmine muss diesen alten
wunderschönen, jedoch aufgrund seines Alters windschiefen Baum als Kind noch bewundert und die "unbefugte" Fällung wegen eines privaten Bauvorhabens mitbekommen haben.)
Eugen Mergehen war wohl so angetan von dieser Frau, dass er in Großkönigsdorf blieb. Junge Männer wie er, die arbeiten wollten, konnte man hier, so kurz nach dem 1.Weltkrieg immer gebrauchen,
dachte er. In seinem Körper versammelte sich ein Cocktail von Endorphine, Dopamin und Serotonin. Gefüllt mit diesen Glückshormonen schritt er über die Aachenerstraße geradewegs in das schräg
gegenüberliegende Lokal hinter einer riesigen Linde. Dort kam Eugen schnell bei einem Bierchen (ob Kölsch ist noch zu klären. Das erste Kölsch wurde 1918 bei Sünner in Köln gebraut) mit
dem Sohn des Wirtes, Fritz Trebels ins Gespräch und erfuhr die Ursache für sein Herzrasen: Es war "et Breuers Minche" wie Wilhelmine Breuer im Ort genannt wurde.
Eugen und Fritz Trebels wurden Freunde. Eugen fand schnell Arbeit bei einem hiesigen Bauunternehmer. Das entging den beiden Brüdern Paul und Erich Mergehen nicht. Die beiden folgten ihrem Bruder
in den Kölner Westen. Großkönigsdorf profitierte von der Eisenbahn. Zwei Ton- und Steinzeugfabriken, Franz Hensmann AG und Großpeter Lindemann mit ihren riesigen, schwarz rauchenden, schlanken
Schornsteinen waren die baulichen Erkennungszeichen von Königsdorf, die man sogar von der Domspitze erkennen konnte. Also Arbeit gab es zu Hauf in dieser Zeit in Großkönigsdorf. Die umliegenden
Felder ernährten die Königsdorfer mit Gemüse und Fleisch. Die Mergehens wurden heimisch. 1920 wurden Eugen von Fritz Trebels und anderen jungen Männern angesprochen, ob er mit ihnen einen
Fußballclub gründen wolle. Seine Zusage zu diesem Vorhaben wurde für Eugen eine Lebensaufgabe bis zu seinem Tod. Das Glück blieb Eugen auch in Königsdorf treu. Wilhelmine, die am 11.1.1904 in
Großkönigsdorf geboren wurde, war seinem Werben nicht abgeneigt. Auch Wilhelmines Mutter, die Witwe wurde als Wilhelmine 4 Jahre alt war, fand den jungen, hilfsbereiten Eugen sympathisch.
Eugen hatte in der Trilogie des Tagesablaufes seine Erfüllung gefunden. Häusle bauen, Fußball spielen und mit Minche die Abende verbringen. Der Glücksfall der Zeit und bedingst durch das
Schicksal des Ortes wurde Wilhelmine mit knapp 18 Jahren schwanger. Wie es zur damaligen Zeit "sich gehörte" musste, noch bevor das Kind geboren wurde geheiratet werden.
Es gab jedoch ein Hindernis. Im Großkönigsdorf der 20er Jahre ein großes Hindernis um nicht zu sagen ein unüberwindbares Hindernis. Der Grund war, Eugen Mergehen war evangelisch und Wilhelmine katholisch. Der damalige Großkönigsdorfer Pfarrer Peter Michael Hansen (1910 bis 1927 in Königsdorf Pfarrer) lehnte kategorisch ab, die beiden zu trauen. Das, was für Pfarrer Hansen ein NO GO war, war für Eugen nicht wirklich ein Hindernis! Eugen und Wilhelmine ließen sich in Köln trauen. 1922 wurde in der 1715 erbauten Kirche zur "Schwarzen Muttergottes St. Maria" in der Kupfergasse geheiratet. Nach der Trauung zog das junge Paar in die Wohnung der Breuers ein. Sechs Monate später, im September wurde das 1. Kind, Tochter Änni geboren. Noch drei weitere Kinder sollten in den 20er Jahren folgen: im November 1924 Tochter Käthi, im Januar 1927 Sohn Erich und im Dezember 1928 Tochter Agnes, die alle in Großkönigsdorf geboren wurden.
Bild 1930 von links: Änni, Wilhelmine mit Agnes im Arm, Kathi, Eugen, davor Sohn Erich.
Was Eugens bevölkerungspolitische Aktivitäten anging war er verlässlich und erfolgreich.
Dieser Erfolg schwappte auch auf seinen Sportklub Blau-Weiß Königsdorf über. Die erste Meisterschaft mit seinem Sportklub Blau-Weiß Königsdorf folgte 1927.
Anfang der 30er Jahre bewarben sich die beiden Brüder Eugen und Erich bei der Post. Während Eugen in Köln eine Anstellung in der Auslandsprüfstelle im Hauptpostamt fand, wurde Erich in Großkönigsdorf als Briefträger eingesetzt. (Erich starb 1941 durch eine Leberkrankheit.)
Bruder Paul war ein Allroundtalent. Gelernt hatte er das Zimmermannshandwerk. In Großkönigsdorf eröffnete Paul an der Aachener Straße 572 in einem kleinen Haus, umgeben von den großen Bauernhöfen, dem damaligen Hof Haus Lenders zur Linken und dem Mellerhof zur Rechten eine Eisdiele.
Im Jahr 1931 musste Eugen, Wilhelmine und die kleinen Kinder mit Oma Breuer das Breuer Haus verlassen. Es sollte abgerissen werden und eine Straßenverbindung samt Eisenbahnbrücke von der Aachenerstraße zur Klosterstraße (heute Augustinusstraße) gebaute werden um auch die Zufahrt von großen Lastkraftwagen zum Steinzeugwerk Großpeter Lindemann zu ermöglichen.
Die Familie zog in das Eckhaus Friedrich-Ebert-Straße 16 Ecke Freiligrathstraße.
Aber auch dort blieben sie nicht lange und zogen 1933 in den linken Backsteinbau des Schulgebäudes an der Friedrich-Ebert-Straße 63, die 1907 gebaut wurde.
Wenig später wurde die Friedrich-Ebert-Straße in Adolf Hitler Straße umbenannt.
Am 30 Januar 1933 wurde Hitler von Reichspräsident Hindenburg zum Reichskanzler berufen. Bereits am 1.Mai 1933 wurden Eugens Fußballer sowie alle anderen männliche Ortsvereine durch den
"örtlichen Führer" und der SA-Mannschaft der NSDAP in die St.Sebastianuskirche bestellt. Die Jahre der Entmündung, der Denunziationen, der Willkür und des Grauens hatten auch in Groß- und
Kleinkönigsdorf begonnen.
Eugen Mergehen wurde 1939 zur Errichtung des Westwalls befohlen und später zur Armee eingezogen. Er wurde nach Polen verlegt und dort bei der Besatzungstruppe eingesetzt. Anfang 1940 durfte er zu
einem Heimurlaub seine Familie und seine Wilhelmine besuchen. Den Hormonen sei Dank und die Gunst der Stunde nutzend legte er die Grundlage zur Geburt seines 5. Kindes und seinem 2. Sohn Walter,
den Wilhelmine im Oktober 1940 in Köln-Lindenthal zur Welt brachte.
Eugen wurde 2 Jahre später zurück befohlen. Mit Kriegsbeginn wurde die Auslandsprüfstelle im Hauptpostamt Köln von der Gestapo (Geheime Staats-Polizei) übernommen. In der Nacht vom 30.
auf den 31. Mai 1942 wurde das Hauptpostamt durch die Operation Millenium (Decknahme für die Bombadierung Kölns durch brittische Luftangriffe) zerstört.
Die Auslandsprüfstelle wurde nach Engelskirchen verlegt und Eugen, der bereits beim Aufbau der Post Anfang der 30er Jahre mitwirkte wurde aufgrund seiner Erfahrung in Engelskirchen
gebraucht.
Das Grauen der Vorkriegszeit und der Krieg war auch längst in Königsdorf angekommen. Juden, politisch Andersdenkende, Homosexuelle, Sinti und Roma und Menschen mit Behinderungen
wurden vom Königsdorfer Bahnhof aus deportiert. Bomben vielen und Tote in der Zivilbevölkerung wurden gezählt.
Die Angst war ein ständiger Begleiter. Wilhelmine lebte mit ihren Kindern Änni, Agnes und dem jungen Walter alleine in der Schule, die damals nahezu isoliert, umgeben von Feldern und Gärten
zwischen Klein- und Großkönigsdorf stand.
Unweit von der Schule stürzte dann am 15.Oktober 1944 ein von der Flag, die etwa am Simonshof Stellung bezogen hatte, abgeschossenes Flugzeug auf ein Haus. 6 Menschen unter ihnen auch Bekannte
von Wilhelmine kamen dabei ums Leben. Daraufhin, aber auch aufgrund der unerträglichen Lebensbedingungen verließen zahlreiche Bewohner Königsdorf und zogen in rechtsrheinische
Gebiete.
Wilhelmine hatte Angst! Sie sah sich und ihre Kinder in Gefahr vor den anrückenden Amerikanern.
Sie wollte zu ihrem Mann Eugen nach Engelskirchen, wohl im Glauben dort sicherer zu sein.
Wilhelmine hatte gehört, dass ein Bekannter, der im Besitz eines Autos war, eine Fahrt nach Gummersbach plante und noch 2 Plätze frei hatte. Es folgten ihre schlimmsten Stunden. Wilhelmine musste
sich entscheiden. Alle konnten nicht mitfahren, sie mussten sich trennen oder gemeinsam weiterhin die Angst vor dem Ungewissen verspüren. Bis zur Abfahrt blieb nicht viel Zeit und dennoch hätte
sich Wilhelmine viel mehr Zeit gewünscht um mit den Kindern zu sprechen. Schließlich war es die damals 22 Jährige Änni die Ihre Mutter überredete gemeinsam mit dem kleinen Walter nach
Engelskirchen zu fahren. Wie schwer es Wilhelmine gefallen sein muss ihre beiden Töchter Änni und die gerade erst 16 jährige Agnes zurückzulassen ist kaum vorstellbar.
Erst nachdem in den ersten Märztagen 1945 amerikanische Panzer über die Aachener Straße durch Königsdorf, Köln von den Amerikanern eingenommen und die rechtsrheinische Front kapituliert hatte, machten sich Tochter Änni und Agnes zu Fuß im Bollerwagen auf nach Engelskirchen.
Jedoch zog es die Familie Mergehen nach dem Krieg wieder zurück nach Großkönigsdorf.
Auch Tochter Käthe, die während des Krieges das Grauen der Menschlichkeit in der Arbeitsanstalt in Brauweiler direkt mitbekam und mit ansehen musste freute sich über das Wiedersehen mit ihrer Familie. Die Arbeitsanstalt in Brauweiler diente in der Zeit des Nationalsozialismus für 12 Monate als Konzentrationslager. Die Gebäude, die auch von der Kölner Gestapo als Gefängnis beansprucht wurden, dienten auch zur Korrektionsanstalt. Infolge der NS-Rassenpolitik wurden 417 Insassen, sogenannte "entmündigte Trinker" von Brauweiler zur Kölner Uni-Klinik geschleppt und zwangssterilisiert. Ab 1941 nutzte die Gestapo das Zellengebäude als Gefängnis, in dem 1944 der ehemalige Bürgermeister von Köln und überregional bedeutende Zentrumspolitiker Konrad Adenauer für 2 Monate inhaftiert war. Im September 1944 wurden hunderte sogenannte "Arbeitshäusler" über den Bahnhof Großkönigsdorf in Konzentrationslager, insbesondere ins KZ-Buchenwald abgeschoben.
Unermessliche Trauer und Sorge hatten Eugen und Wilhelmine um ihren Sohn Erich. Er wurde noch kurz vor Kriegsende als 18-jähriger als Soldat eingezogen und in Richtung Russland
transportiert.
Sie hatten schon lange nichts mehr von ihm gehört und das Ungewisse schmerzte unerträglich.
Mitte 1946, die Familie Mergehen saß gerade beim Abendessen, einer heißen Suppe (dies hieß damals viel heißes Wasser wenig Fett, hier und da etwas Gemüse oder vereinzelt eine Kartoffeln, wenig Salz und Gewürze) da krächzte die Tür in der Friedrich-Ebert-Straße 63. Die Köpfe drehten sich sofort zur Tür, denn erwartet wurde niemand. In den Raum trat ein völlig abgemagerter und kahl geschorener junger Mann. Natürlich erkannten Eugen und Wilhelmine in diesem hageren und unterernährten jungen Mann ihren Sohn Erich. Er hatte Glück im Unglück. Er war zu schmächtig und unterernährt, als das die Russen ihn in Sibirien oder sonst wo hätten als Arbeitskraft einsetzen können. Das Rote Kreuz wurde auf ihn aufmerksam und setzte sich für die Freilassung von Erich ein. Natürlich wurde die Suppe kalt, aber auch die kalte, laffe Suppe war für Erich das größte, was er sich in diesem Moment konnte vorstellen.
Die Güte des Schicksals brachte die komplette Familie Mergehen wieder zusammen.
Auch nach dem Krieg wurde Eugen Mergehen wieder aufgrund seiner Kenntnisse im Bauhandwerk von der Bauleitung angesprochen, die Errichtung des Postamtes in Köln mitzutragen. Es ist anzunehmen,
dass auch Eugen sich der Kontrolle und Befragung der Alliierten unterziehen musste, die tunlichst bedacht waren Personen mit nationalsozialistischem Hintergrund keinesfalls in den wichtigen
Schaltstellen des öffentlichen Lebens einzubinden. Dazu gehörte auch die Post. Eugen blieb bei der Post bis zu seiner Pensionierung Anfang 1961.
Eugen Mergehen war nicht der Mann, der nach der Arbeit die Ruhe suchte. Er brauchte Bewegung, er musste immer etwas tun. Im Nachkriegsdeutschland viel es Wilhelmine auch gar nicht ein, ihren
Eugen aufzuhalten. Auch Wilhelmine hatte mit Schule und Erziehung ihrer Kinder genug zu tun.
Eugen setzte sich zwei Ziele: 1. die Fußballer des Sportklub Blau-Weißkönigsdorf neu auf die Beine zu stellen und 2. ein Haus für die Familie zu bauen.
Schon Ende 1945 hatte er wieder eine Mannschaft in Spielstärke zusammen. Aufgrund seiner Liebe zum Fußball baute er sein Haus unmittelbar neben dem Sportplatz, Pfeilstraße 16. Es ist das gelbe
(Stand 2017) Haus links neben dem Schützenaus und den Umkleidekabinen, die aber viel, viel später gebaut wurden. Heute wird es das "Lenzenhaus" genannt. Zunächst baute Eugen nur das
Untergeschoss des Hauses. Erst als sein Sohn Erich auf Drängen der Königsdorfer Lehrer das Schulgebäude verlassen musste, vollendete er das Haus mit dem Bau eines großen, auffallend spitzen
Dachstuhles.
Eugens Bruder Paul wurde in Königsdorf ebenfalls zur Legende und muss daher hier auch hervorgehoben werden. Seine kleine Eisdiele an der Aachener Straße, damals links neben dem Mellerhof gelegen,
war weit über die Grenzen Königsdorfs bekannt. Für uns Kinder war es das leckerste Eis der Welt. Auch wenn wir uns damals eine Eiskugel mit allen Geschwistern teilen mussten, so war das
kalte süßcremige Eis, insbesondere wenn es gerade fertig angerührt wurde göttlich. Zudem verkaufte Paul im Frühjahr Saatgut und fertigte zu Allerheiligen Grabgestecke und in der Adventszeit
Adventskränze. Noch sehr gut in Erinnerung ist das Schild in seinem Schaufenster mit dem Hinweis "Was sie nicht im Fenster seh'n, wird bestimmt im Laden steh'n!".
Mit Fußball hatte Paul nichts am Hut.
Eugen traf sich im Frühjahr 1946 mehrmals mit anderen Königsdorfer Sportvereinen. Eugen merkte, dass die Kriegsjahre die Vereinsarbeit nicht vereinfacht hatte. Auch die anderen Vereine hatten mit der kriegsbedingten Schwächung zu kämpfen. Schließlich schlossen sich Eugen und sein Rasensportklub Blau-Weiß Königsdorf 1920 dem Königsdorfer Handballverein und dem Königsdorfer Turnverein an und nannten sich fortan Turn und Sportklub kurz TuS Blau-Weiß Königsdorf 1900 e.V. Die Gesamtführung des TuS leitete Carl-Ludwig Großpeter, Stellvertreter Engelbert Mermagen von den Turnern, Eugen Mergehen wurde Obmann der Fußballabteilung, Josef Pohl (Ϯ1997) bei den Turnern und Josef Meusch (Ϯ1952) Obmann bei den Handballern.
Eugen lebte für die Familie und für den Fußball. Es gab nichts, was er bis zu seinem Tod nicht für seinen Fußballverein gemacht hatte, erinnerte sich Eugens Sohn Walter Mergehen. Er pflegte
die Fußbälle, was damals hieß: flicken, fetten, aufpumpen und für den Sportbetrieb bereitstellen. Dabei bedurfte es viel Fingerfertigkeit die dick- und hartledrigen Bälle mit einer Nadel und
dicker Kordel zu nähen. Im Fußball der 50er Jahre war noch eine Gummiblase, die ähnlich einem Fahrradschlauch häufig durch Dornen durchlöchert wurden. Diese Blasen konnten durch einen kleinen
losen Lederlappen, der sich im Ventilbereich befand aus dem Lederball herausgewürgt werden.
Waren alle Nähte gut vernäht, die Löcher in der Blase wieder geflickt, so musste diese wieder in die Lederkugel eingebracht und aufgepumpt werden. Das lose, kleine Lederstück, welches das Ventil
umschloss, presste sich dann von innen, ausreichend sicher gegen Verrutschen haltend, gegen die Lederkugel des Balles. Danach wurde der Ball gefettet um die Oberfläche wasserabweisend und
geschmeidiger zu machen. Eugen Mergehen beherrschte diese Tätigkeit, hatte er doch in seiner Jugend die Fingerfertigkeit als Futteralmacher gelernt und dem Vater beim Schneidern oft über die
Schulter geschaut. Er machte es auch zu seiner Aufgabe, die Linien auf dem Platz mit Kalk abzuzeichnen, Die Tornetze auf und abhängen, die Eckfahnen auf und abbauen und natürlich das Wasser aus
den riesigen Pfützen auf dem Platz entfernen.
Zudem gab es auch eine Menge Papierkram: Spielberechtigungen einholen, d.h. Neuanmeldung, Spielerpass-Formulare ausfüllen und nach Duisburg schicken, Spielberichte ausfüllen und mit den
Spielerpässen dem Schiedsrichter vorlegen. Regelmäßig fuhr er nach Köln um an der Sitzung des Fußballkreises teilzunehmen.
Was Eugen am wenigsten liebte, war das Betteln von Geldern. Jedoch neue Trikots, Hosen, Stutzen Bälle und Tornetze wurden gebraucht und seine Spieler, die er nunmal für den Spielbetrieb brauchte
waren arm, bzw. das Geld wurde für die Familie benötigt. Werbebanner und Sponsoring, wie wir es heute kennen waren noch nicht bekannte Wortbegriffe. Ein stets verlässlicher und großzügiger
Spender war der Gesamt-TuS-Vorsitzende und Fabrikant Carl-Ludwig Großpeter.
All diese ehrenamtlichen Tätigkeiten wurden durch seine Frau Wilhelmine loyal mitgetragen und unterstützt. Als Eugens Sohn Walter im Alter von 14 Jahren zu den Königsdorfer Handballern gehen
wollte, legte Wilhelmine dies kategorisch ab. Das kam nicht in Frage im mergehenschen Kosmos. Wie aufreibend das sich selbst auferlegte Ehrenamt für Eugen Mergehen war kann man sich vorstellen.
Es war von Woche zu Woche, von Saison zu Saison schwierig Mannschaften, mangels Personal aufzustellen. Eugen schaffte es, immer wieder Menschen in Königsdorf zu motivieren egal ob
talentiert oder untalentiert und den Spielbericht aufrecht zu halten. Es war Eugens großer Verdienst, seine Blau-Weißen blieben über die Jahre zusammen und wurden eine Traditionsmannschaft in den
Kreisligaklassen.
Bei seinen Söhnen wurde Fußball nicht zum Lebensinhalt. Sein jüngster Sohn Walter schaffte es schließlich doch die Mutter zu überzeugen und wurde Handballer. Jedoch musste er auch häufig als
Torwart bei den Fußballern aushelfen, wenn nicht genügend Personal zur Verfügung stand.
Der älteste Sohn Erich blieb der sportlichen Betätigung im TuS fern.
Anders seine Enkelsöhne: Thomas (Tom), Sohn von Walter hat über 10 Jahre beim TuS gespielt. Die drei Söhne des ältesten Sohnes Erich spielten alle drei in Dom-Esch und Niederaußem, wobei sein
Sohn Josef es bei Oberaußem sogar schaffte auf Landesligaebene zu spielen.
Eugen Mergehen starb am 22.Februar 1981 in seinem Haus am Sportplatz im Alter von 85 Jahren.
Seine Frau Wilhelmine und sein Sohn Walter waren bis zuletzt an seiner Seite. Am 31.Oktober 1985 folgte ihm Wilhelmine im Alter von 81 Jahren.
Beide starben nach einem erfüllten Leben.
Es war ein Leben in dem Eugen und Wilhelmine viel erreicht haben, ungezählte Stunden im Ehrenamt tätig waren und für Menschen in unserem Verein und auch darüber hinaus viel getan haben und immer Ansprechpartner waren.
Bild: 1972 anlässlich der Goldhochzeit